Das Huhn – eine lebenslustige Persönlichkeit

Im 19. Jahrhundert nahm das Übel seinen Lauf: Die Intensivhaltung setzte ein – und somit der Albtraum aller „Nutztiere“. Menschen quetschen Hühner heute sogar mit bis zu 100 000 anderen in einen Raum zusammen. Was muss das für eine Qual sein für ein Huhn, das von Natur aus ein Mitglied einer lebenslustigen Gemeinschaft ist?

ein weißes und ein braunes huhn zusammen auf eineer blumenwiese

Jede Hühnerpersönlichkeit spielt eine bestimmte Rolle in ihrer Gemeinschaft und leistet ihren Beitrag zu einem friedvollen Zusammenleben. Hühner können bis zu 80 Herdenmitglieder auseinanderhalten und wiedererkennen. Sie sind neugierig und immer für eine Entdeckungstour zu haben. Dabei legen sie pro Tag ein bis zwei Kilometer zurück – kurze todesmutige Flugversuche mit inbegriffen. Schließlich ist huhn immer noch ein Vogel!
Laut der australischen Tierverhaltensforscherin Dr. K-lynn Smith von der Macquarie University in Sydney sind Hühner leider „die am meisten unterschätzten Tiere auf dem Planeten„. (1) Dabei können sie komplexe Aufgaben lösen, sowie Entscheidungen in aktuellen Situationen treffen, indem sie sich auf frühere Erfahrungen berufen. Und sie besitzen Humor, wie das Huhn „Chicken“, das entschied im Garten des Restaurantkritikers der New York Times, Wiliam Grimes, zu leben:

War es reiner Zufall, dass es sich gern an Yowzer heranschlich, die Katze, die fast immer nervöse Zuckungen bekam, wenn sie überrascht wurde? Immer wieder sah ich Chicken vorsichtig in Yowzers Richtung tappen, sobald sie ihm den Rücken zuwandte; dann gackerte es ein paar Mal und beobachtete, wie die Katze hoch in die Luft sprang. Nach diesem geglückten Überfall rannte Chicken beschwingt davon, mit einem Gackern, das verdächtig nach einem Kichern klang.“ (2)

Abgesehen von solchen kleinen Schandtaten sind Hühner fast die Hälfte des Tages am Scharren und Picken. Das Fressen kommt schließlich nicht von selbst in ihren Schnabel. Obwohl Hühner ganz genau wissen, was für Nährstoffe sie brauchen und diese gezielt auswählen, hat jedes einzelne Huhn auch seine eigenen Vorlieben. Und die möchten gepflegt werden. Auch bei Hühnern ist das Auge mit. Ebenfalls entscheidend ist, wie sich das Essen anfühlt. So kann es gut sein, dass ein Huhn sich weigert, Schnecken zu essen, aber vor Entzückung durchdreht, wenn es ein Salatblatt gezeigt bekommt. Manchmal kommt es auch ganz anders:

Oder Kid, die auf Zuruf herbeigeflitzt kam, gelegentlich auf meiner Schulter thronte wie ein Piratenpapagei und sich das Recht herausnahm, vom Gartentisch Erdbeeren und Kekse zu stibitzen.“ (3)

Hühner können auch sehr zutraulich sein. Eine Dame lässt sich gerne streicheln, die andere isst aus der Hand. Sie merken sich sogar problemlos wann und wo sie ihr Essen erhalten, inklusive leckerer Snacks. Sie sorgen dafür, dass sie nicht vergessen werden, indem sie einen daran erinnern. So können plötzlich zwei fordernde Hühner im Hof vor der Küchentür stehen, aus der sie ihre Leckerbissen erhalten haben und mit den Schnäbeln empört an die Tür pochen.

Wasser auf ihrem feinen Gefieder finden Hühner nicht witzig. Da ähneln sie den meisten Katzen. Sie bevorzugen es, sich selbstständig zu reinigen, indem sie sich eine Mulde im Boden oder im Sand scharren. Jeden einzelnen Körperteil bearbeiten sie sorgfältigst mit ihren Krallen. Ihr Gefieder kämmen sie sich mit ihrem Schnabel so lange, bis alles wieder sitzt. Danach wird sich geschüttelt, damit selbst das letzte Staubkörnchen, überflüssiges Gefiederfett und Ungeziefer beseitigt sind. Sie sind so reinlich, dass selbst Menschen ihnen das in Gefangenhaltung nicht austreiben können. Karen Davis, eine der führenden Hühnerexpertinnen, berichtete, dass selbst Hühner, die ihr ganzes Leben lang in Drahtkäfige eingesperrt sind, „Vakuum“-Staubbäder nehmen. (4) Leider nur eine traurige, leere Geste.

Die Hühnerhofhierarchie

Das Leben der Hühner bestimmt eine strenge Hierarchie. An der Spitze steht der verantwortungsbewusste Hahn, dann folgen die Hühner. Ist kein Hahn vorhanden, tritt das Matriarchat in Kraft: eine ältere, kräftigere Henne übernimmt das Kommando. Und die lässt sich ganz bestimmt nicht von irgendeinem dahergelaufenen Hahn ihren Rang wieder wegnehmen. Dieser muss erst was zu bieten haben! Solange versucht sie sich erfolgreich im Krähen – was ein Hahn kann, kann sie schließlich auch.

Stellt ein Huhn die Stellung der Matriarchin aufmüpfig in Frage, weist letztere die Rebellin mit einem scharfen Schnabelhieb zurecht. Auch die anderen Plätze in der Rangordnung können angefochten werden. Dann laufen die betreffenden Hühner abwechselnd mit einem Imponiergehabe oder duckend umeinander herum. Sind die Verhältnisse vorerst geklärt, erkennt ein rangniedrigeres Huhn ihre Stellung durch eine geduckte Haltung an, hat aber dadurch auch weniger Zugang zu den Futterressourcen. Obwohl manchmal die Federn fliegen können, herrscht weitestgehend Harmonie. Gemeinsam picken alle nach Körnern, wenn auch ein Anstandsabstand oft verlangt wird, halten gackernd ein Schwätzchen, liegen zusammen in der Sonne und rücken nachts eng zusammen. Selbst Eier werden mit Vergnügen in das gleiche Nest gelegt. Gerne säubern sie sich auch gegenseitig das Gefieder. Berührungen und Laute sind das A und O in der Gemeinschaft. Bis zu dreißig verschiedene Lautäußerungen können Hühner von sich geben,  jede hat seine eigene Bedeutung. (5)
Sind die Herden jedoch zu groß, können die Hühner ihre „Mithühner“ nicht mehr alle erkennen und die Rangordnung funktioniert nicht mehr. Stress ist vorprogrammiert, denn mangelnder Platz verhindert eine friedliche Auseinandersetzung. Es sei denn, sie können räumlich stabile Untergruppen bilden, die wiederum von einem Hahn oder einer Matriarchin angeführt werden.

Wann ist ein Hahn ein Hahn?

Auf jeden Fall nicht, wenn er wie ein aufgeplusterter Gockel herumstolziert und seinen Kamm in den Wind hält. Hennen sind wählerisch: Der Hahn sollte nicht nur schön, sondern auch verantwortungsbewusst sein.
Ein Hahn beschützt und umsorgt seine Hennen. Er hält die Hühnerschar zusammen, ohne die Rangordnung zu missachten. Einerseits können jüngere Hennen mit zunehmenden Alter in der Rangordnung aufsteigen, andererseits werden alte Hennen, die keine Eier mehr legen können, auch nicht von ihm verstoßen. Gerade neben diesen gealterten Genossinnen verbringt er sogar oftmals die Nacht.

Hinzu kommt die Rolle des Streitschlichters. Die Autorin Anny Duperey hat beispielsweise beobachtet, wie zwei Hennen sich in die Haare geraten waren. Der Hahn ging dazwischen, gab ein dumpfes Gackern von sich und wandte sich dabei abwechselnd der einen und der anderen zu – bis Ruhe herrschte. (6)

7c47bc55-5870-43ac-9120-35f585263347

Gleichzeitig ist er ein wahrer Gentleman: Er begleitet die Henne oft zu ihrem Nest, manchmal beteiligt er sich sogar an der Nestsuche. Hört er die Henne erfreut über ihr gelungenes Eierlegen gackern, holt er sie wieder ab und bringt sie zurück zu der Herde. Sein gefundenes Futter präsentiert er seinen Hennen nicht ohne Stolz mit einer geradezu singenden Stimme. Die Art seines Rufens zeigt den Hennen die Qualität der Nahrung an. Kommen sie angerannt, bewegt er seinen Kopf schnell hin und her, hoch und runter. Dabei nimmt er das Essen mit dem Schnabel auf und lässt es wieder fallen: das Zeichen, dass er etwas ganz Deliziöses gefunden hat. (7) Aber er scheint auch absichtlich zu täuschen: nämlich dann, wenn eine Henne sich seiner Meinung nach zu weit von ihm entfernt hat. Um sie zurückzulocken, benutzt er ein Nahrungsruf, obwohl er gar nichts gefunden hat. (8)
Sein Krähen hört man bis zu zwei Kilometern und macht den Standort seiner Hühnergemeinschaft klar, aber auch seinen Revieranspruch. Sind mehrere Hähne in der Umgebung, kann es durchaus zu einem „Wettstreitkrähen“ kommen.
Das Krähen kann je nach Art und Stimmlage auch Botschaften wie Angst, Vergnügen, Frustration oder Warnung enthalten. Gleichzeitig unterscheidet sich das Krähen auch zwischen der Warnung vor einem Bodenfeind oder einem Angreifer aus der Luft. So beschreibt Karen Davis:

Wenn ein Hahn eine Gefahr wittert, stößt er einen schrillen Schrei aus. Die anderen Hähne ahmen diesen Schrei nach. Daraufhin stimmt das ganze Hühnervolk oft in ein lautes, ununterbrochenes, trommelschlagartiges Gackern ein, wobei alle Mitglieder sich in die entgegengesetzte Richtung schieben, um einen Unterschlupf zu suchen. Sobald die Lage wieder sicher scheint, geht vom ersten Hahn eine „Ist die Luft rein?“ Frage aus, welche die anderen Hähne an ihren jeweiligen neuen Plätzen nacheinander erwidern. Schließlich stößt jener Vogel, der zuerst Alarm schlug, ein „Die Luft ist rein“- Krähen aus, und eine Reihe lokalisierter Krählaute zeigt an, wo sich jeder andere Hahn mit seiner Hühnerschar zu diesem Zeitpunkt befindet.„(9)

Hähne und Hühner können den Feind schon hören, bevor er überhaupt gesichtet ist. So können schon erste Rettungsmaßnahmen eingeleitet werden. Obwohl die meisten Hähne friedfertig sind, können sie sich bei Gefahr den Hennen zu einer Attacke verpflichtet fühlen. Dann plustert sich der Hahn auf und kommt mit Drohgebärden auf den Feind zu. Schmerzhaft wird es, wenn er einen anspringt, hackt und kratzt. Bekämpfen sich Hähne gegenseitig, versuchen sie sich zusätzlich die Sporen gegen den Kopf oder die Brust zu rammen.

„Du wurdest von einer Henne aufgezogen“

Dieser Spruch war bei den alten Römern ein absolutes Kompliment. Denn die Henne ist eine sehr fürsorgliche Mutter.
Ab vier Monaten beginnen die Hennen zu legen und sind in dieser Zeit auch am produktivsten. Dieses Stadium wird auch gerne bei der Intensivhaltung in Legebatterien ausgenutzt. Nach der ersten Mauser legen sie zwar weniger Eier, aber dafür größere. Da sie während dieser von der Natur verordneten Pause keine Eier legen, zögern Menschen bei Hennen in Legebatterien die Mauser künstlich hinaus. Ein rücksichtsloser Eingriff in den ausgelaugten Hühnerkörper.
Die Eier müssen nicht immer befruchtet sein: Hennen scheiden ihre Eizellen als Ei auch dann aus, wenn keine Befruchtung stattgefunden hat. Das Ei ist schlichtweg ein menstruales Produkt, welches die Henne im fortgeschrittenen Alter nicht mehr ausscheidet.
Sind die Eier befruchtet „leben“ sie und können noch nach bis zu vierzehn Tagen ausgebrütet werden. Um diese Fähigkeit zu erhalten, drehen die Hennen die Eier täglich um, damit der Dotter nicht an der Schale festklebt. So können die Küken nach 21 Tagen so gut wie gleichzeitig schlüpfen. Während ihrer Brutzeit wehrt sie sämtliche Annäherungsversuche, sei es von Artgenossen oder anderen Wesen, vehement ab. Einmal täglich verlässt sie kurzzeitig ihr Nest, kotet, trinkt, aber frisst nur wenig und huscht schnell wieder zurück. Zwei Tage vor dem Schlüpfen der Küken beginnt die Verständigung zwischen Mutter und Kindern. Oft geben die Küken kurz vor dem Schlüpfen kummervolle Geräusche von sich. Dann reagiert die Henne, bewegt ihren Körper auf dem Ei oder gibt beruhigende Rufe von sich. Das Küken antwortet freudig. Durch diese enge Verbindung schon vor der Geburt reagieren die Küken danach ausschließlich auf die Rufe ihrer Mutter. Hennen sind auch wunderbare Adoptivmütter, wenn man ihnen fremde Küken zum gleichen Zeitpunkt anvertraut, wie die anderen Küken gerade geschlüpft sind. Sie machen dann keinen Unterschied, alle werden gleichermaßen liebevoll aufgezogen und beschützt. Im Alter von sechzehn Tagen wagen es die Küken sich schon etwas mehr von ihrer Mutter zu entfernen, springen und flattern herum. Sobald aber ein Geräusch verdächtig klingt, ertönt der Warnruf der Mutter und alle rennen los, um sich bei ihr zu verstecken. Die Mutter plustert sich dann auf, schließlich müssen alle Küken Unterschlupf finden. Sie selbst muss dem Angreifer gegenüber imponierend wirken. Manchmal ist ein Küken der Meinung, es sei schon selbstständig genug und bemerkt seine Fehleinschätzung erst bei größerer Entfernung von der Mutter. Dann fiept es sein „Verlassenheitsweinen“ und die Mutter kommt angeschossen, um den kleinlauten Zwerg einzusammeln. Alles in allem gilt: Wer ihren Küken zu nahe kommt, wird gnadenlos attackiert. Diese Erfahrung musste auch ein Schwein namens Rosa-Mariechen machen, von deren Schicksal Hilal Sezgin in ihrem Buch „Tierleben“ erzählt:

„Als das Schwein Rosa-Mariechen, selbst im besten Teenageralter und ziemlich frech, das Küken berüsseln wollte, sprang Hanni ihr mit dem Schnabel direkt ins Gesicht. Seither fängt das Mariechen immer an zu schreien, wenn sie Mutter und Kind sieht, und macht einen großen Bogen um sie.“ (10)

Wer einmal ein Huhn in Freiheit beobachtet hat, weiß, was in ihm alles steckt. Die meisten Hühner aber erreichen ihre natürliche Lebenserwartung nicht. Unzählige dieser Lebewesen verbringen ihr Leben als Produktionsmaschinen in Gefangenschaft: In einer überwachten Umgebung ohne Sonne, Wind, Regen, Insekten oder Pflanzen und Sprossen. In ihrer Nahrung befinden sich chemische Zusätze, die den Appetit anregen. Und sie leiden an Osteoporose, chronischer Eileiterentzündung, Kloakenverletztung und Darmvorfällen. Alles für ein Hühnerei, das dem Huhn gestohlen wird, um den menschlichen Proteinbedarf zu decken. Als ob es nicht auch mit einer rein planzlichen Ernährung ginge.

 

Quellen:

(1) http://www.animalequality.de/huehner-werden-unterschaetzt
(2) Jeffrey M. Masson, Wovon Schafe träumen. Das Seelenleben der Tiere, Wilhelm Heyne Verlag, München 2006
(3) Hilal Sezgin, Hilal Sezgins Tierleben. Von Schweinen und anderen Zeitgenossen, C. H. Beck, München 2014
(4) Jeffrey M. Masson, Wovon Schafe träumen. Das Seelenleben der Tiere
(5) http://www.animalequality.de/huehner-werden-unterschaetzt
(6) Anny Duperey, Vom Glück ein Huhn zu sein, Frederking & Thaler Verlag, München 2013
(7) http://www.spektrum.de/news/schlaue-huehner/1342910
(8) Jeffrey M. Masson, Wovon Schafe träumen. Das Seelenleben der Tiere
(9) ebd.
(10) Hilal Sezgin, Hilal Sezgins Tierleben. Von Schweinen und anderen Zeitgenossen

Fotos:

1-© bildkistl – Fotolia.com

2-© pishkott – Fotolia.com

3-© marina kuchenbecker – Fotolia.com

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Merken

Schweine – liebenswert und unterschätzt

Sie sind ordentlich, neugierig, hochsensibel und genauso freundlich und loyal wie Hunde. Beleidigungen wie „dummes Schwein“ sind zweifellos fehl am Platze. Die gelehrigen Tiere können bis zu einundzwanzig Jahre alt werden – vorausgesetzt man lässt sie.

A pig in Dalarna, SwedenSchweine haben ein gutes Langzeitgedächtnis. So sind sie fähig sich in ihrer natürlichen Umgebung die Plätze einzuprägen,an  denen  ihre Nahrung verstreut ist.
Wunderbar merken können sie sich auch ihre eigenen, von Menschen gegebenen Namen. Selbst an erlernte Bezeichnungen von   Gegenständen erinnern sie sich. Nur bei zu wenig Aufmerksamkeit, können sie sich schnell langweilen. Im Übrigen kann ein ausgewachsenes Schwein, das in einer liebevollen und vertrauensvollen Umgebung aufwächst, genauso zutraulich werden wie ein Hund.

Entgegen der weitverbreiteten Meinung sind Schweine sehr saubere Tiere. Sie achten sorgfältig darauf, ihre Geschäfte nicht dort zu verrichten, wo sie schlafen oder essen. Der Verhaltensforscher J. Masson berichtet von alten, arthritischen Säuen, die sich trotz ihrer Schmerzen und steifen Gliedmaßen im Stall aufrichteten. Unter größtem Kraftaufwand schleppten sie sich durch den Schlamm zu der Stelle, die sie sich als ihre Toilette auserkoren hatten. (1)

Ihr hoch entwickelter Geruchssinn hilft ihnen, sich zu orientieren und zu erkennen. Schon ein Ferkel identifiziert so seine Mutter und seine eigene private Zitze. Schweine können auch das Aussehen beispielsweise von Menschen erkennen und unterscheiden, selbst aus größter Entfernung.

Dass Christopher seine Besucher unterscheiden konnte, ließ sich daran erkennen, dass er sie unterschiedlich begrüßte. (2)

Im wachen Zustand sind Schweine sehr aktiv. Da sie sich ihre Nahrung gerne selbst suchen, benötigen sie viel Kraft und Ausdauer, wühlen und bewegen sich viel. Mit ihrer langen Schnauze spüren sie Nährstoffe tief im Boden auf. Selbst wenn sie satt sind, suchen sie weiter nach Essbarem. Als Allesfresser ist ihre Ernährung vielfältig und jedes hat seine eigenen Vorlieben.

[….] hätten sie aber die Wahl, würden sie ähnliche Speisen wählen wie der Mensch. So nehmen Schweine, bei der Wahl zwischen Mango und Brokkoli, immer die Mango. Sie haben eine Schwäche für Leckereien, eine süße Frucht ist demnach besser als gesundes Gemüse. (3)

Im Gegensatz zu den industriellen Mastanlagen, wo Schweine alles hinunterschlingen müssen, essen sie gerne langsam und genüsslich, eben nicht „wie Schweine“.

Schweine brauchen viel Schlaf. Einige verbringen dreizehn bis sechzehn Stunden am Tag im Schlafmodus, eine längere Schlafzeit und eine „Siesta“ mit inbegriffen. Häufig liegen sie beieinander, wie eng hängt von der Umgebungstemperatur und dem Körpergewicht ab. Die meisten haben zum Schlafen festgelegte Ruheplätze in dichter Vegetation: selbst gebaute Schlafnester aus Grünzeug oder Erdhöhlen. Andere sind anspruchsloser und schlafen direkt auf dem Boden. Dann gibt es noch die Spezialisten, die sich die Baue anderer Tiere „ausborgen“. Und auch Schweine träumen im Schlaf und zucken manchmal dabei.

Schweine schwitzen nicht. Sie haben nur an ihren Nasen Schweißdrüsen. Also baden sie gerne im Schlamm oder Wasser um sich abzukühlen, nicht weil sie gerne schmutzig sind und übel riechen. Das Schwein braucht das! Der Schlamm befreit es von Parasiten, wehrt Insekten ab und reinigt seine Haut. Nach der Reinigungsprozedur wird der Schmutz meist an Büschen und Bäumen abgerieben.
Hausschweine benötigen das Schlammbad noch aus einem anderen Grund: Es ist ihr Sonnenschutzmittel, denn sie können, wie Menschen auch, einen Sonnenbrand bekommen.

Schweine sind äußerst emotional. Sie können sehr liebevoll und sensibel sein. Wenn sie glücklich sind, wedeln sie wie ein Hund mit dem Schwanz. Aber auch sie können beleidigt sein, unter Ängsten leiden oder einen Wutanfall bekommen. Ein Schwein ist, wie jedes andere Lebewesen auch, ein Individuum. Unabhängig und robust oder sensibler und angreifbarer:
Das Schwein Floyd beispielsweise war Letzteres. Er lebte mit seinen Geschwistern auf einem Lebenshof. Mit neun Monaten musste er jedoch aus verschiedenen Gründen auf einen anderen Lebenshof umziehen. Als er dort angekommen war, ging er geradewegs in den Stall und kam nicht mehr heraus. Er verweigerte das Futter, wollte nicht mit anderen Schweinen spielen und wimmerte nur. Er schien sich aufzugeben. Als Floyds ehemalige Pflegerin zu Besuch kam, war ihm die pure Erleichterung anzusehen. Er beschnupperte sie, wurde lebendig und gab ein Freudenquieken von sich. Er rannte zum Lastwagen, sprang auf die Ladefläche und war bereit nach Hause zu fahren. In seinem alten Zuhause angekommen, war seine Depression verflogen. (4)

Schweine und ihr Sozialleben

Sie führen ein komplexes soziales Leben. Sie geben ihr Wissen weiter und lernen voneinander. Der Schweine-Forscher Johannes Baumgartner beobachtete, wie erfahrene Sauen ihre Töchter bei deren Erstgeburten unterrichteten und ihnen, gleich Hebammen, halfen.
Gleichzeitig entwickeln Schweine ein ausgeklügeltes Wettbewerbsverhalten, um „Konkurrenten“ reinzulegen: Sie lernen beispielsweise anderen zum Futter zu folgen, um es ihnen dann wegzuschnappen. Die Reingelegten lernen ihr Verhalten zu ändern, damit sie nicht wieder leer ausgehen.

Schlafendes Weideschwein im Winter Ihre Freundschaften mit Artgenossen zeigen sie durch unterschiedliche Laute und ihre Körpersprache. Sie suchen sich einen bestimmten Kumpan aus, mit dem sie den lieben langen Tag verbringen. Zusammen gehen sie auf Erkundungstouren und schlafen Schnauze an Schnauze.
Schweine fühlen sich emotional einander verbunden. Ihre Loyalität zeigt sich am Beispiel Hopes: Hope war mit einem schwer verletzten Bein aus einem Schlachthof gerettet worden. Das Bein konnte nicht ganz geheilt werden, aber sie lernte damit zurechtzukommen, indem sie einfach hüpfte. Das viel jüngere Schwein Johnny baute eine enge Beziehung zu ihr auf. Er schlief nachts bei ihr und stand Wache, damit kein anderes Schwein sie bedrängte oder ihr Futter wegnahm. Da Hope tagsüber die meiste Zeit im Stall verbrachte, blieb auch er in der Regel da. Als sie aus Altersgründen verschied, trauerte er scheinbar so tief um sie, dass er wenige Wochen später starb. Unerwartet, denn gesundheitlich angeschlagen war er nicht. (5)

Schweine kommunizieren ständig miteinander. Ihre verbale Kommunikation besteht aus mehr als zwanzig Oinks, Grunzlaute und Quieker für jeweils unterschiedliche Situationen. Dabei ist der besondere Schrei eines leidenden Schweins ein konkretes Signal an alle anderen Artgenossen in seiner Umgebung, ihm konsequent zu Hilfe zu eilen. Neben Mitgefühl zeigen Schweine Trauer und sind sich eines sterbenden Artgenossen bewusst.

Ein drei Jahre altes Schwein lag infolge einer Salzvergiftung im Sterben. Um sein Leid zu lindern, injizierte man ihm ein Betäubungsmittel in den Muskel und dann einen sanften Tod herbeiführendes Mittel in die Vene. Es lebte zusammen mit fünfzehn Schweinen in einem Stall. Nach seinem Tod wurde es zu einer umzäunten Grabstätte gezogen. Seine Artgenossen trotteten neben ihm her bis zum Zaun, wo sie sich in einer Reihe aufstellten und zuschauten, wie ihr Freund ins Erdloch hinabgelassen wurde. Sie machten ein Geräusch, das nur als seltsames Stöhnen beschrieben werden kann. Es klang für die Menschen die zuhören konnten wie ein Abschied nehmen von einem der ihren. (6)

In natürlicher Umgebung leben Schweine, ähnlich wie Elefanten, in zwei oder mehr Schweinefamilien. Sie bestehen normalerweise aus drei bis fünf miteinander verwandten Müttern, ihrem Nachwuchs und einige im Vorjahr geborene Jungtiere.
Die Mütter kümmern sich intensiv um ihren Nachwuchs. Sie singen ihnen, während sie diese säugen, sogar etwas vor. Die kleinen Ferkel lernen so die Stimme ihrer Mutter gut kennen und die vielen Schnauzenkontakte von Mutter und ihren Jungen tragen mit zur Prägung bei. Die Zitzenordnung hat sich innerhalb von 48 Stunden festgesetzt, dann hat jedes Ferkel seine eigene Zitze. Die Muttermilch trinken Ferkel elf bis fünfzehn Wochen lang.
Sie spielen genauso gern wie andere Kinder, ob menschliche oder tierische: Sie jagen sich tobend gegenseitig, kämpfen und purzeln Hügel hinunter.
Aber auch erwachsene Schweine zeigen Spielverhalten wie Rennen und Galoppieren. Dabei wurde schon eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 55 Stundenkilometern gemessen.

Schweine können wahre Helden sein

Manche retten nicht-menschliche Gefährten. So beispielsweise Spammy, die Feuerwehrmänner zu einer brennenden Scheune führte, um ihren dortigen Kalbfreund Spot zu retten. (7) Andere retten menschliche Gefährten: Eine Frau geriet in Panik, als sie im Morast festsaß. Sie wusste nicht, was sie machen sollte, und sie glaubt, ihr Schwein Pru hat das gespürt. Sie hatte einen Strick dabei, den sie als Hundeleine benutzte, und band diesen ihr um. Dann rief sie ihr zu „Lauf heim, lauf heim“, daraufhin ging Pru voran und zog sie langsam aus dem Schlamm. (8)
Und manche retten sich selbst –  vor dem Schlachthof: In England sind ein Schwein namens Butch und sein Freund Sundance aus einem Schlachthof entkommen. Mehrere Tage lang sind sie auf dem Land umhergestreift, bis man sie einfing. Obwohl es klar und deutlich war, dass diese Schweine nicht sterben wollten und sich ihre Freiheit erkämpft hatten, wollten einige Personen sie trotzdem schlachten. Glücklicherweise konnte ein nationaler Protest die Tötung der beiden verhindern, sodass Butch und Sundance auf einen Lebenshof kamen.(9)

Christopher hat uns gezeigt, wie man den üppigen Geschmack und Duft dieser reichen, süßen, grünen Welt genießt. Allein das war schon ein großes Geschenk. Aber er zeigte uns noch eine andere Wahrheit. Dass ein Schwein nicht zu Schinken verarbeitet werden muss, sondern vierzehn Jahre lang geliebt und verwöhnt werden kann, bis es friedlich im Schlaf dahingeht, ist ein Beweis, dass wir keineswegs immer „praktisch“ denken müssen. Wir müssen die Regeln, die uns die Gesellschaft, unsere Spezies, die Familie oder „das Schicksal“ angeblich vorschreiben, nicht akzeptieren. Wir können neue Dinge wagen. (10)

Quellen:

(1)(3)(4)(5)(6) Jeffrey M. Masson, Wovon Schafe träumen. Das Seelenleben der Tiere, Wilhelm Heyne Verlag, München 2006 

(2)(7)(8)(9)(10) Sy Montgomery, Das glückliche Schwein. Vom Leben mit einem außergewöhlichen Freund, Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG 2007.

Fotos:

1-© talsen – Fotolia.com

2-© arolina66 – Fotolia.com

Merken