Zahlreiche Verpackungen im Supermarkt zeigen Hühner auf grünen Wiesen unter blauem Himmel oder scharrend auf sonnigen Boden. Manchmal ist auch ein stolzer Hahn unter den Hühnern zu sehen. Jedes Huhn scheint schöner und glücklicher zu sein als das andere.
Keine grüne Wiesen, kein Platz zum Scharren, kein blauer Himmel und keine Sonne zeigen Undercoverrecherchen von Tierrechtsorganisationen.
Nichts als Fleischmaschinen
„Masthühner“ sollen Brustfleisch produzieren, so viel wie möglich. Geschlechter spielen hierbei keine Rolle, als Lebewesen interessieren sie nicht und ihr Leben schon gar nicht. Schon gleich nach ihrem Schlüpfen in einer Brüterei, bekommen es die Küken zu spüren: Sie werden geimpft, auf ein Förderband geworfen, um am Ende in einen Pappkarton zu plumpsen. Verpackt für den Transport werden sie zu Mastanlagen gefahren und „eingestallt“.
Im Maststall landen jeweils etwa 300 Küken in einem „Kükenring“. Anstelle ihrer Wärme spendenden Mutter erwartet sie hier eine Wärmelampe. Der klägliche Ersatz für die ersten Tage ihres Lebens.
Hat jedes Küken zu Beginn der Mast noch etwas Raum für sich, überwiegt bald der Platzmangel.
Zusammengepfercht vegetieren sie vor sich hin, ohne die geringste Möglichkeit, ihr natürliches Verhalten auszuleben. Bis zu 100.000 Vögel müssen bis zu ihrem Abtransport so ausharren, zum Schluss müssen über zwanzig Tiere auf einem Quadratmeter Fläche ausharren. (1) Da Hühner in einer Gruppe von mehr als 50 Tieren keine beständige Rangordnung mehr aufbauen können, sind die Tiere völlig gestresst. Ein Huhn pickt nach dem anderen, schwächere Tiere fliehen vor den stärkeren, die Stimmung ist aggressiv.
„Um des Fleisches willen rauben wir ihnen die Sonne, das Licht und die Lebensdauer, die ihnen von Geburt an zustehen.“ (2)
Wachstum fördern
In der Tierindustrie sind Tiere Fleischmaschinen. Als „Produktionseinheiten“ tragen manche Arten Namen, hinter dem sich kein Lebewesen mehr vermuten lässt: Cobb 500 beispielsweise. Diese Hühner sollen besonders schnell wachsen. (3) Um ein schnelles Wachstum zu fördern, erhalten „Masthühner“ industriell hergestelltes und genmanipuliertes Futter. Hinzu kommen wachstumsfördernde Medikamente, die neben schneller Entwicklung auch Krankheiten, aufgrund von Platzmangel, verhindern sollen.
Statt ein natürliches Alter von bis zu zehn Jahren zu erreichen, müssen die Hühner hier im Kindesalter von höchstens sechs Wochen ihr Leben lassen. Die Sozialpsychologin Melanie Joy errechnete, dass nach der Wachstumsgeschwindigkeit dieser geschundenen Hühner, ein Mensch vergleichsweise im Alter von zwei Jahren schon 158 Kilogramm wiegen müsse. (4) Die Konsequenzen des schnellen Wachstums sind körperliche Deformierungen. Das unnatürlich schwere Brustgewicht können die dünnen Hühnerbeine nicht länger tragen: Sehnen reißen, die Beine verbiegen sich schmerzhaft oder brechen. Viele der Hühner müssen ein Großteil ihres kurzen Lebens liegend verbringen, die Brust ist zu schwer geworden. Fliegen und Flattern sind kaum noch möglich. Selbst die Tränken und Futterautomaten erreichen sie nur noch schleppend. Sie liegen in mit ihren eigenen Exkrementen verschmutzen Streu, dadurch bilden sich Ekzeme an ihren malträtierten Körpern. Ammoniak, das sich im Urin und Kot bildet, verpestet die Luft und verursacht Augenbrennen sowie Atemwegserkrankungen. Hinzu kommen, wie bei anderen Tieren in der Masthaltung, Arthritis, Herzkreislauferkrankungen und plötzlicher Herztod. Einige Hühner sind so krank und verletzt, dass sie nicht mehr aufstehen können. Diese „festliegenden“ Tiere fallen auch unter den Begriff „Falltiere“. Sie sind für die Geflügelhalter nicht weiter schlimm: Eine Sterberate von über fünf Prozent ist schließlich mit einkalkuliert. Diese Tiere werden auf einen Haufen mit weiteren Leichen geworfen oder notgeschlachtet.
Zusammengekehrt und abtransportiert
Für die bis dato Überlebenden beginnt die Reise zum Schlachthof. Greiferkolonnen, oft Niedriglohnarbeiter, kommen in die Anlagen. Sie beginnen, die schreienden Tiere einzusammeln. Kopfüber hängen die Vögel zu mehreren an ihren Händen, bis die Arbeiter sie in die Transportkisten regelrecht hineinstopfen. So ein Aktivist aus einer Undercoverrecherche:
„Fast alle Hühner reagierten vom ersten Moment an mit Schreien und heftigen körperlichen Bewegungen, als sie von den Arbeitern gepackt wurden […]“
„Ich habe gesehen, wie ein Mitarbeiter ein Huhn vom Bodenventilator gekickt hat und dass regelmäßig Hühner quer durch den Raum geworfen werden. […]“ (5)
Oder es kommen die sogenannten „Hühnerstaubsauger“ zum Einsatz. Fangmaschinen, welche die Hühner nacheinander einsaugen, über ein Fließband abtransportieren und in Kisten schleudern. (6) Solche Maschinen können 24 000 Hühner in drei 1/2 Stunden einfangen. (7) Zeit ist Geld.
Egal sind die markerschütternden Schreie und die ausgerenkten, gebrochenen Flügel, Beine oder Hüften der brutalst eingesammelten Tiere. Nicht zu vergessen die verursachten inneren Blutungen.
Nach einem stressigen und qualvollen Transport erreichen die Vögel die Schlachthöfe. Hier sterben im Durchschnitt 8400 Tiere pro Stunde für Fleisch, mehr als bei anderen Tieren: Sie hängen kopfüber an ihren Füßen und werden zur Betäubung durch ein Strombad gezogen(8), bevor eine Köpfungsmaschine ihnen den Kopf abtrennt. Da dies alles maschinell vonstattengeht, kann es zu Fehlern kommen, indem beispielsweise eines der Lebewesen den Kopf anhebt. Dann kommen die „Nachschneider“, verharmlosend auch „Nachbesserer“ genannt, zum Einsatz: Arbeiter, die den überlebenden Tieren den Kopf abtrennen. (9) Es folgt das Brühbad und die Entfederungsanlage, dann werden sie in Einzelteile zerlegt. Als ehemalige Lebewesen nach einem abscheulichen Leben hinter Mauern, einem leidvollen Transport und höllischem Tod, landen ihre Einzelteile als Hühnerbrustfilets, Hähnchenschlegeln oder Nuggets in einer Packung. Obendrauf wieder der Aufkleber von einem glücklichen Huhn auf einer grünen Wiese unter blauem Himmel.
„Wenn Privatpersonen ihre Hunde oder Katzen so hielten, würden wir von der Tierquälerei sprechen. Und wer Tierquälerei nicht unterstützen und nicht von ihr profitieren will, sollte die entsprechenden Produkte nicht konsumieren.“ (10)
Quellen:
(1) masthuehnerleben.html#f1
(2) Plutarch, griechischer Schriftsteller
(3) Hal Herzog, Wir streicheln und wir essen sie- Unser paradoxes Verhältnis zu Tieren, Carl Hanser Verlag, München 2012
(4) Melanie Joy, Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen. Karnismus – eine Einführung, compassion media, Münster 2013
(5) Melanie Joy, Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen. Karnismus – eine Einführung
(6) plukon-so-leiden-huehner-tagtaeglich-in-deutschen-mastanlagen
(7) Hal Herzog, Wir streicheln und wir essen sie- Unser paradoxes Verhältnis zu Tieren
(8) masthuehnerleben.html#f1
(9) bundesrecht/tierschlv_2013/gesamt.pdf
(10)Hilal Sezgin, Artgerecht ist nur die Freiheit. Eine Ethik für Tiere oder Warum wir umdenken müssen. Verlag C.H.Beck oHG, München 2014
Fotos:
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