Endlich ist es so weit. Die Sonne scheint, die Blumen blühen, die Vögel zwitschern, warm ist es geworden: Nichts wie ran an den Grill. Laut verschiedener Werbeslogans für Grills, Grillzubehör und Fleischprodukte gibt es keinen perfekteren „Start in den Sommer“ als ein „geselliges Grillvergnügen“.
In der Fleischindustrie herrscht derweilen Hochkonjunktur, denn „echte Helden“ erbeuten ihr Grillgut im Supermarkt oder beim Metzger nebenan. Ran an die Bratwürste, das Bauchfleisch oder die Steaks aus dem Nacken eines Schweines. Ran an das zarte Filet, das Steak aus dem Zwischenrippenstück mit breitem Fettrand oder dem Rumpsteak aus dem hinteren Hüftteil eines Rindes. Und für die ganz „Harten“: Putenkeule mit Haut oder das T-Bone-Steak mit Knochen vom Rind, damit mensch das Gefühl hat, die Tiere selbst „gerissen“ zu haben. Der König der Tiere, der Löwe macht es schließlich auch. Für die zarteren Gemüter gibt es noch die fettarme, zarte Brust einer Pute oder das Fleisch eines (männlichen) Kalbes, der Ausschuss der Milchproduktion.
Was beim Einkauf dieser tierischen Produkte nicht erkennbar ist? Knochenbrüche, Gelenkerkrankungen, gerissene Sehnen, Herzkreislauferkrankungen, Lungenkrankheiten, Ekzeme und eitrige Abszesse. Letztere gelangen durch die Zerlegung der kranken Tiere direkt mit ins Fleisch. Auch nicht erkennbar: die Panik. Die Panik von Tieren, die einen Leidensweg und einen Tod hinter sich haben, die sich ein Mensch nicht einmal in seinen schlimmsten Träumen vorstellen kann und möchte – weder beim Einkauf noch beim Essen. Schließlich sind das Grillen und der dazugehörende Fleischgenuss ein „Vergnügen“ für die ganze Familie und das soll so bleiben. Nicht sehen, nicht hören und schon gar nicht darüber reden – vor Kindern sowieso nicht. Sie müssen vor der grausigen Realität geschützt und bloß nicht zum Nachdenken bewegt werden. Denn der Fleischgenuss mit oder ohne Grill ist ein Kulturgut und muss beibehalten werden.
Was am Fleisch auch nicht erkennbar ist? Giftige Pestizide, Herbizide, Fungizide (alle drei als krebserregend bekannt), Erdöl, Phosphate sowie Bakterien- und Virenstämme: beispielsweise Kolibakterien (Auslöser schwerer Lebensmittelvergiftungen), Campylobacter (Durchfallerreger), Salmonellen (erzeugen Durchfallerkrankungen, für Risikogruppen schwere, potenziell tödliche Erkrankungen) und Hepatitis E – Viren.
So erklärte Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer von foodwatch: „Die Bundesregierung weiß, dass jedes Jahr rund 1,8 Millionen Schweine mit infektiösen Hepatitis E-Viren geschlachtet und vermarktet werden. Der Kontakt mit diesen Schweinen, aber auch der Verzehr von daraus erzeugtem Mett- und Rohwürsten stellt daher ein ernstes Infektionsrisiko dar. Angesichts drastisch steigender Neuinfektionen muss die Bundesregierung umgehend dafür sorgen, dass Fleisch und Innereien von Hepatitis-E-infizierten Schweinen nicht mehr roh an Endverbraucher abgegeben werden dürfen.„
Dazu kommen Schmutz, Haare und Kot (1). Viele Krankheitserreger stammen aus dem Kot von Tieren. Sie gelangen durch mangelnde Hygiene bei der Schlachtung und aufgrund schneller Arbeitsabläufe in den Schlachthöfen an das Fleisch.
Nicht zu vergessen, die weiter ansteigende Zahl an Antibiotika resistenten Keimen im Fleisch aufgrund einer Tierhaltung, die sowohl industriell als auch „alternativ“ ohne Antibiotika nicht mehr realisierbar ist: Spezielle Züchtungen, die bedrängende Enge, die schlechte Luft die Atemwegserkrankungen hervorruft- schlichtweg die unnatürliche Lebensweise der Tiere macht Antibiotika unersetzlich: Selbst, wenn ein einziges Tier krank sein sollte, muss die restliche Herde oft ebenfalls mit Antibiotika behandelt werden. Bei Tieren und in Lebensmitteln wurden sogar antibiotikaresistente Keime nachgewiesen, die gegen besonders wichtige Antibiotika nicht mehr wirken. Trotzdem können Schlagzeilen wie „Die Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen ist alarmierend und stellt eine Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier dar“ die innere Mauer der Fleischkonsumenten nicht durchbrechen.
Der Mensch „braucht Fleisch“, lautet der allgemeine Tenor. Daher werden schon Kinder damit vollgestopft, während über eine rein pflanzliche Ernährung Horrorberichte verbreitet und dankbar angenommen werden. Horrormeldungen, die Schlagworte wie Mangelernährung, gesundheitliche Schäden und ja, gar den Tod beinhalten. Derweilen verbreiten sich resistente Keime sowie Antibiotika großflächig in der Umwelt – mit der Gülle aus den „Nutztier“ställen beispielsweise aus Thüringen, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Die Nitratwerte steigen mittlerweile derart aufgrund der Vergiftung von Böden und Gewässer durch das Übermaß an Gülle, dass die Kläranlagen kaum noch mitkommen. Die Folge: Die Allgemeinheit, also die Verbraucher, können sich darauf einstellen, dass der Wasserpreis fast um die Hälfte steigen wird. Auch das wird scheinbar ignoriert.
Der Gedanke „der Mensch hat schon immer Fleisch gegessen“ bleibt in den meisten Köpfen verankert und wird von Generation zu Generation weitergegeben. Denn unsere Vorfahren, die Höhlenmenschen taten es auch, wird argumentiert. Zwar möchte mensch nicht mehr in einer Höhle leben, barfuß bei Wind und Wetter durch die Landschaft rennen und sich nachts am Feuer wärmen. Lieber bevorzugt er doch die eigenen vier Wände mit einem gemütlichen Bett, Fernseher und sanitärer Anlage. Aber das Fleischessen wird mit in die Gegenwart genommen. Daran wird sich geklammert, als ginge es um ihr Leben. Ja, beinahe um ihre Identität. Ohne Fleisch ist mensch nichts. Kein Held, kein König, nichts Besonderes mehr – dazu noch seiner Freiheit beraubt, zu tun und zu essen, was er will. Der Fleischverzehr wird gegen jegliche Argumente verteidigt und eine vernünftige Auseinandersetzung mit Tatsachen und Argumenten beim Thema „Fleisch“ blockiert. „Leben und leben lassen“ wird oft mantraartig wiederholt. Nur wird mit diesem Satz etwas vergessen: die anderen nichtmenschlichen Tiere, die Umwelt und ironischerweise sich selbst plus seine nachfolgenden Generationen.
„Ich bin ganz sicher, die Generation, die kommen wird, wird uns, die heutigen, fragen, wo wir waren, als 3/4 der Natur in weniger als 30 Jahren ausgerottet werden konnte.“ (2)
Es ist keineswegs „heldenhaft“ für die „Freiheit des Fleischessens“ schwächere Lebewesen in Gefangenschaft zu halten, sie körperlich und seelisch misshandeln und töten zu lassen. Es ist auch nicht „heldenhaft“ sich und andere mit etwas zu ernähren, das mit krebserregenden Schadstoffen, Viren, Bakterien, Keimen, Schmutz, Haare und Kot verseucht ist. Und es ist alles andere als „heldenhaft“ für die „Freiheit des Fleischessens“ die Zerstörung der Natur und der darinlebenden Tierwelt in Kauf zu nehmen. Ganz egal, was einem die Werbung der Fleischindustrie da aufschwatzen will.
Weitere Quellen:
(2) Eugen Drewermann, Kirchenkritiker, Psychoanalytiker, Schriftsteller
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