Sein Arbeitstag beginnt morgens um acht, eine Stechuhr gibt es hier nicht. Auf Anweisung seines Vorarbeiters klettert er blitzschnell die Palme empor, bis zu den reifen Kokosnüssen, die er mit geschickten Drehungen von der Palme löst. Dann lässt er sie zu Boden fallen. Er hat gelernt, die Reifen von den Unreifen zu unterscheiden und Anweisungen zu befolgen. Hunderte Kokosnüsse laden er und seine Kollegen so auf die Laster, die sie von einem Pflückstandort zum nächsten transportieren. Eine Mittagspause gibt es, wenn sein Vorarbeiter eine macht, nicht dann, wenn er möchte. Gearbeitet wird bis nachmittags um fünf Uhr. Manchmal kommen Fremde vorbei, die zuschauen, klatschen und rufen. Dann verlangt der Vorarbeiter nicht das gleiche Arbeitspensum wie sonst. Aber er muss öfter herunter, sodass die Zuschauer ihn besser sehen und Fotos von ihm machen können. Manche wollen ihn sogar anfassen und immer, immer diese Leine, damit er nicht wegrennt …
Die Rede ist von einem Affen, genauer von einem Makaken. Er und seine Artgenossen werden in Südthailand, in Indonesien und in einigen Regionen Malaysias zur Arbeit gezwungen. Sie dienen als Helfer bei Kokosnussernten.
Manche von ihnen sind Nachkommen von Eltern, die schon bei Menschen lebten und arbeiten mussten. Andere nehmen Wilderer einfach als Babys ihren stillenden Müttern weg, die vorher erschossen werden. Einige werden aber auch in den Wäldern mit Netzen oder Fallen gefangen.
Ihre Ausbildung, die oft Schläge und Peitsche beinhaltet, dauert in der Regel bis zu zwei Jahren. Jedes Kommando muss sitzen. Während des Trainings und darüber hinaus sind die Affen meist angebunden oder eingesperrt. Manchmal haben sie nur geringe oder gar keine Möglichkeit zu sozialen Kontakten mit anderen Artgenossen. Aber sie lernen die Kokosnüsse zu ernten, zu sortieren und in Säcke zu packen. In einer Affenschule eines buddhistischen Mönches, der auf Liebe und Geduld statt Schläge setzt, lernen sie sogar auf dem Motorrad mit zur Ernte zu fahren. Darf ein Makake überhaupt noch Affe sein?
Allein in fünf Provinzen Thailands gehen 1.200 trainierte Tiere so täglich ohne Verspätung zu Werke. In Pension dürfen sie mit etwa vierzehn Jahren gehen.
Die Makaken sind zehnmal schneller als Menschen, schaffen bis zu 1.000 Kokosnüsse am Tag. Das Doppelte von dem, was ein Mensch in der Zeit schaffen könnte. Als Dank für diese Leistung hat ein Affe, arbeitet er zu langsam, mit schmerzhaften Konsequenzen zu rechnen.
Und die Geschicklichkeit der angeleinten Affen bei der Kokosnussernte dient dem Menschen gleich doppelt: als wirtschaftliches Kapital der Insel und als Touristenmagnet, wo der Urlauber im Rahmen von Shows deren Können bestaunen kann.
Menschen müssen auch arbeiten, ja. Außerdem werden die Affen ja von den Menschen bei denen sie leben versorgt. Solange sie gut behandelt werden, wo ist das Problem?
Menschen bekommen für ihre Arbeit aber meistens Lohn und freie Tage. Menschen können sich ihren Arbeitsplatz auch größtenteils selbst wählen. Affen würden wohl ein anderes Leben wählen. Ein erfülltes und autonomes Leben, ganz nach ihrem natürlichen Wesen: Sozialen Interaktionen mit anderen, sich paaren, den Nachwuchs aufziehen und frei herumziehen, wann immer sie wollen. Stattdessen verbringen sie ihr Leben in endloser Schufterei und in erzwungenen Gehorsam dem Willen des Menschen gegenüber. Und das alles ohne jeglichen persönlichen Nutzen, geschweige denn Gewinn.
„Affen beschweren sich nicht, verhandeln nicht um Löhne, sie betrügen nicht und haben keine Höhenangst„,
so ein Schild in Chiang Mais ‚Monkey Center‘ über die Vorteile. (2) Sie bestehen auch nicht auf eine Kranken-, Unfall- oder Sozialversicherung.
Tiere auszubeuten ist eigentlich keine Erfindung der heutigen Zeit. Genau genommen würde man die Ausbeutung hier als Sklaverei bezeichnen, wenn es dabei um Menschen ginge. Angeleint, zwar versorgt und (teilweise) bei der Bauernfamilie untergebracht. Trotzdem völlig rechtlos und ihrem Schicksal ausgeliefert, erinnern sie eher an Sklaven auf Baumwollfeldern als an Arbeiter an Fließbändern.
Genau in einem solchen vermeintlichen Randthema (im Vergleich zu Schlachtung, Tierversuchen und anderen Gräueltaten) zeigt sich deutlich die Logik, alles dem Profit zuliebe verwerten zu dürfen. Und die Affen sind beileibe nicht die Einzigen, die ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen müssen. Denken wir an andere Tiere: Esel als Lastentiere, die sich vollbepackt durch Straßen und Berge schleppen. Gequälte Elefanten, deren Willen als Baby gewaltvoll gebrochen wurde, damit Touristen auf ihnen reiten können. Kostümierte und geschminkte Affen als Bespaßung der Urlauber. Pferde, die gezwungen werden, Kutschen durch den lauten Stadtverkehr zu ziehen, für die Romantik und bis zur völligen Erschöpfung. Ponys, die tagein tagaus Runden in sogenannten Ponykarussells drehen müssen, zum Vergnügen von Kind und Kegel. Und diese sind nicht die Einzigen.
In dieser Logik geht es darum, stets zu neuen Höchstleistungen anzutreiben. Genauso wie menschliche Bedürfnisse immer weiter hinter den Bedürfnissen der Effizienz verschwinden, so verschwinden auch die tierischen.
„Der Proletarier wird ausgebeutet. Aber seine Lage ist nicht hoffnungslos. Er kann sich selbst helfen: Er kann sich Bundesgenossen suchen, kann sich organisieren, sagt seinen Peinigern den Kampf an, hat also Aussicht seine Lage zu verbessern.“ (Willi Eichler)
Doch Tiere können nicht für sich sprechen und schon gar nicht sich kollektiv gegen ihre Ausbeuter zur Wehr setzen. Wo es eben keine Tiergewerkschaft gibt und geben kann, ist es, um so wichtiger als Mensch auch für sie zu sprechen und für sie einzutreten. Seine Solidarität genauso auf Tiere anzuwenden.
Sie haben auch ein Recht auf Leben und Verschonung von Gewalt. Das Tier lebt um seines Selbst willen, nicht um dem Menschen zu dienen. Es ist ein Wesen mit eigenem Lebensrecht, sollte nicht vom (menschgemachten) Recht als sachenähnlich angesehen werden, um daraus Profit und Annehmlichkeiten zu schlagen.
Domestikation von Tieren gab es schon immer, Herrschaft auch. Es mag sein, das sich der Umgang mit den sogenannten Nutztieren ändert, indem mensch versucht, eine gewaltfreie Ausbildung anzuwenden, den natürlichen Spieltrieb auszunutzen. Aber das Prinzip bleibt dasselbe. Und man darf mit Sicherheit skeptisch sein, ob es dabei nicht ohnehin weniger um das Wohl des Individuums geht, als vielmehr um die effizienteste Ausbeutung. Affen, die keine Lust mehr haben, oder aufgrund von Misshandlungen aggressiv werden, sind für die Arbeit nicht mehr zu gebrauchen. Sie verlieren so ihren Wert.
In den Quellen für diesen Artikel klingt die Erzählung über die geschickten und schnellen Makaken bei der Ernte wie Bewunderung. Dahinter verschwindet, was wir den Affen dabei eigentlich antun. Denn eigentlich zählt nur der knallharte Wettbewerbsvorteil gegenüber der Ernte durch Menschenhand. Ginge es dem Menschen um das Wohl des Tieres, würde er, anstatt sich über eine möglichst gewaltfreie Ausbildung (wobei wohl nur die körperliche gemeint sein kann) Gedanken zu machen, es gleich in seiner natürlichen Umgebung belassen. Seine Kokosnüsse würde er selbst ernten, seine Lasten aus eigener Kraft tragen und seinen Acker eigenhändig umgraben. Auch wenn er Letzteres meist mithilfe von Maschinen erledigt und kaum dem Tier zuliebe. So dürfte es in diesem, wie in anderen Tierausbeutungsfällen, schwer werden, angesichts von Profit und Effizienz, Menschen aufzuzeigen wie UN-artgerecht und ignorant ihr Streben nach vermeintlich besseren Bedingungen bleibt.
Der Lebenshof „Erdlingshof“ nannte sich früher anders. Er widersprach diesen Verhältnissen mit dem Namen:
Antitierbenutzungshof!
Quellen:
www.stern.de/panorama/wissen/natur/thailands-arbeitsaffen-von-der-schulbank-in-die-palmenwipfel
Zitat von Willi Eichler in: Leo Tolstoi, Clara Wichmann, Elisée Reclus, Magnus Schwantje u.a., Das Schlachten beenden! Zur Kritik der Gewalt an Tieren. Anarchistische, feministische, pazifistische und linkssozialistische Traditionen, Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg 2010
www.natuerlich-reisen.net/tiertourismus-thailand-elephant-riding-tiger-tempel-affenshow
www.thailand-spezialisten.com/thailand-informationen/tierwelt-des-tourismus-in-thailand
www.rp-online.de/panorama/ausland/affen-helfen-bei-der-kokosnuss-ernte
www.thailand-spezialisten.com/thailand-informationen/tierwelt-des-tourismus-in-thailand
www.thailandtourismus.de/urlaub/reiseziele/highlights/koh-samui
www.geo.de/reisen/community/reisebericht/76023/1/Der-Affentrainer
www.zeit.de/1967/06/affen-als-sklaven
www.huffingtonpost.com/nathan-j-winograd/did-an-abused-monkey-pick
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