Ein grauer Betonbunker in Maasdorf bei Halle (Sachsen-Anhalt). Einsam steht er da und ragt 25 Meter aus dem Feld hervor, gut durch einen Zaun geschützt. Ein Hochhaus mit sechs Etagen und kleinen Fenstern, in denen selbst nachts scheinbar das Licht brennt. Lange wusste mensch nicht, was im Innern geschieht. Bis ein Rechercheteam des deutschen Tierschutzbüros diesen tristen Klotz nach monatelanger Suche fand: das Schweinehochaus, das lange als Mythos galt. Nun ist es endgültig – Realität.
Das 1969/70 in den DDR-Zeiten errichtete Gebäude gilt als eine „einzigartige Sauanlage„.
So viele Schweine, wie möglich, auf so wenig Grundfläche wie „nötig“ und auf verschiedenen Stockwerken verteilt. Das Agrarmagazin „dlz“ schwärmte von dem streng abgeschirmten Gebäude (natürlich nur aus hygienischen Gründen): Es gehe „Per Lift zum Abferkeln„. Mit regelmäßig TÜV-geprüften Fahrstühlen wohlgemerkt. Für die Technikfans hätte der Klotz noch etwas Besonderes zu bieten – einen ehemaligen Sechszylinder-Schiffsdieselmotor als Notstromaggregat. Dazu noch die kurzen Wege im Gebäude, arbeitstechnische Vorteile, gut geeignet um Personalkosten zu sparen.
Aber was ist mit den Schweinen?
Etwa 500 Zuchtsauen, die durch Züchtung auf Leistung (Produktion von Ferkel) optimiert sind und zeitweise über 1000 Ferkel fristen ihr Dasein hinter den grauen Gemäuern. Weit mehr als die fast 500 Einwohner Maasdorfs, die viel mehr Platz zur Verfügung haben. Würde mensch dieses Gebäude noch gut finden, wenn er es unter gleichen Umständen „bewohnen“ würde? Würde mensch dann noch von „wohnen“ sprechen oder eher von Gefangenschaft in einem Hochsicherheitstrakt?
Laut dem Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben ist es möglich, im Erdgeschoss und im zweiten Stockwerk bis zu 280 tragende Sauen oder noch zu besamende unterzubringen. Auch die Jungsaueneingliederung kann hier erfolgen: Diese werden hierbei „wenigstens“ drei Wochen isoliert, damit sie sich an die neue Keimflora gewöhnen können und keine Krankheitserreger mit einschleppen. Im dritten Geschoss findet die Aufzucht von bis zu 800 Ferkel statt. Im vierten und sechsten Stock befinden sich Abferkelbuchten, die fünfte Etage besteht aus Gruppenbuchten für 192 tragende Sauen.
Der moderne Transportweg alias „Fahrstuhl“ transportiert die Schweine hin und her. Laut dlz passen etwa drei Sauen oder 50 Ferkel hier hinein.
Die Torturen, die diese Tiere in diesem Hochhaus erleben, zeigen die Bilder des deutschen Tierschutzbüros: Schweine auf engstem Raum unter Neonlicht (die Aufnahmen fanden nachts statt!) eingesperrt. Teils sind sie verletzt, teilweise verdreckt durch eigene Exkremente. So müssen sie in der Enge stehen oder liegen. Ein Grauen für diese reinlichen Tiere. Zusammengepfercht auf Spaltenböden, werden sie die Freiheit niemals sehen oder riechen. Die Muttersauen sind in Abferkelbuchten und Kastenstände eingezwängt, unfähig aufzustehen, geschweige denn sich umzudrehen. Kastenstände beschneiden das Tier dermaßen in seinen Bewegungsmöglichkeiten, dass diese in vielen Ländern wie Großbritannien, Schweden oder Schweiz verboten sind. Aber in der Praxis der deutschen Tierindustrie werden nicht einmal die geltenden Verordnungen eingehalten und Vorschriften aufgrund wirtschaftlicher Interessen weit ausgedehnt.
So heißt es zum Thema Kastenstände beispielsweise in der Nutztierhaltungsverordnung:
§24.4 Kastenstände müssen so beschaffen sein, dass
- die Schweine sich nicht verletzen können und
- jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann.
Als Geburtsmaschinen in Einzelkäfigen sind diese Schweine dazu verdammt, besamt zu werden und zu gebären. Würden sie ohne Essen gebären, würde mensch das Futter wohl auch noch einsparen. Teilweise soll sogar keine ordnungsgemäße Fütterung sichergestellt worden sein, sodass dem Betrieb strenge Auflagen verhängt wurden.
Optimale Raumnutzung, mehr Effizienz und zusätzliche Einsparungen. Das lässt manch menschliches Herz in der Agrarindustrie höher schlagen. Ganz nach dem Slogan des Inhabers des Hochhauses, JSR Hybrid Deutschland GmbH:
„Making pork more profitable“, “Schwein profitabler machen”
Die betreffenden Lebewesen, die verletzt und zitternd vor sich hinvegetieren (wie Bilder und Videos des deutschen Tierschutzbüros zeigen) oder tot „in einem baufälligen Verschlag“ liegen, sind hierbei unerheblich. Aber Beschäftigungsmaterial haben sie …… Eine Eisenkette vor ihrer Nase, an ihrem Einzelkäfig angebracht …
Die im Schweinehochhaus geborenen Ferkel erblicken bei ihrem Transport zu einem neuen Mäster oder Züchter zum ersten Mal das Tageslicht. Es sei denn, sie sterben zuvor und landen in Mülleimern vor dem Gelände – entsorgt als „Produktionsausschuss“. Lebendig erwartet sie auch nicht gerade eine gute Behandlung: Aufnahmen des Tierschutzbüros zeigen, wie ein Mitarbeiter die Ferkel mit Tritten und Schlägen mit einer Art Paddel in einen Tiertransporter treibt. Dabei verletzt er auch einige am Kopf.
Hierbei handelte es sich nicht einmal um eine versteckte Kamera. Ein Mitarbeiter (wohl einer externen Firma) erlaubte auf Anfrage das Filmen der Verladung. Nicht auszudenken, wie die Tiere wohl behandelt werden, wenn keine Kamera mitfilmt.
Das Schweinehochaus Europas wird, laut Tierschutzbüro, durch das Land Sachsen-Anhalt und die Europäische Kommission gefördert. Was fördern sie:
Eine einzigartige Mastanlage oder Tierquälerei?