Die Kühe mit dem Loch im Bauch
Sogenannte „Fistelkühe“ leben unter anderem in Europa, in den USA und in Neuseeland: Länder, die sich mit Wiederkäuern in landwirtschaftlichen und tiermedizinischen Forschungszentren befassen. Die Löcher sind so tief, dass der Arm eines Menschen bis zum Ellenbogen in den Magen dieser Kühe reicht.
Durch einen chirurgischen Eingriff wird der Kuh ein Loch, Fistel genannt, in die Flanke geschnitten. Die Öffnung wird mit einem Kunststoffring eingefasst und mit der Außenhaut vernäht um ein Zuwachsen zu verhindern. Diese verschraubbare Öffnung oberhalb des Pansens ermöglicht es jederzeit, in diesen hineinzugreifen und den Mageninhalt zu begutachten. So werden Futtermittel erforscht und weiterentwickelt, um die „Milchleistung“ der Kühe und die Fleischproduktion zu verbessern.
Den Fistelkühen gehe es in diesen genehmigten Tierversuchen, laut Forschern, gut. Schmerzen empfänden sie keine. Tatsache ist jedoch, dass die Tiere einem chirurgischen Eingriff unterzogen werden, der diesen sehr wohl Schmerzen zufügt. Auch wenn diese „nur“ postoperativ sind, wie die Wissenschaftler einräumen. Diese Schmerzen können mehrere Tage anhalten, sodass die Tiere mit Schmerzmittel und Antibiotika behandelt werden. Dazu kommt der Verheilungsprozess der Narben, der mindestens zwei Wochen dauert. Wissenschaftler vergleichen die Schmerzen mit denen nach einem Kaiserschnitt. (1) Der Kaiserschnitt ist jedoch notwendig um die Entbindung eines Kindes, also Leben zu ermöglichen. Anders bei den Fistelkühen: Ihnen werden diese Schmerzen zugefügt um an ihnen für die Futtermittel-, Fleisch- und Milchindustrie zu forschen. Für eine Industrie, die das Leben dieser Kühe (und ihres Nachwuchses) nicht rettet, sondern nach deren erbrachter Leistung beendet.
Ähnlich wie ein künstlicher Magenzugang für einen Menschen bestimmt nicht gerade angenehmen ist, so unangenehm muss eine Pansenfistel auch für eine Kuh sein. Auch wenn keine Schmerzen mehr bestehen. Die Tiere tragen diese Fisteln ihr Leben lang. Dabei leben sie, laut den Forschern, unter den gleichen Bedingungen wie ihre Artgenossinnen. Beruhigend klingt dies nicht. Ihre Artgenossinnen ohne Löcher im Bauch verbringen den größten Teil ihres Lebens in riesigen Ställen oder auf von Fäkalien verseuchten Plätzen, in denen sie geradeso stehen oder liegen können. Mindestens 30 % Prozent verbringen ihr Leben in Anbindehaltung. „Rentabel“ versichern Wissenschaftler, sind die Fistelkühe auch: Sie bringen jedes Jahr Kälber zur Welt und „produzieren“ genauso viel Milch wie ihre Stallgenossinnen. (2)
Kritische Stimmen wenden ein, die Fisteltechnik entspräche nicht ganz den tatsächlichen Verhältnissen. Denn diese Proben werden nicht durch das Wiederkauen und die Speichelaktivität von der Kuh aufbereitet.
Dies hält die Forschung nicht davon ab, seit über 40 Jahren (3) Kühe zu benutzen, um deren Verdauungstätigkeit im Pansen zu untersuchen und bessere Futtermittel zu entwickeln. Und um die Rinder umweltfreundlicher zu machen. Die Autoindustrie arbeitet daran, Autos schadstoffärmer zu machen. Die Milch – und Fleischindustrie versucht die Kuh „abgasärmer“ zu machen. Was beim Auto das Treibhausgas CO2 ist, ist bei den Kühen Methangas.Nur sind Kühe Lebewesen. Methangase entstehen bei der Verdauung in ihrem Magen und werden beim Kauen ausgestoßen. Ein natürlicher Verdauungsprozess und für die Kühe lebensnotwendig. Sonst bricht ihre gesamte Verdauung zusammen und sie erkranken. Vermindern kann die Methanbildung von Kühen die von Wissenschaftlern entdeckten pflanzlichen Gerbstoffe Tannine. Jedoch schmecken sie bitter und werden von den Tieren nicht gerne gegessen. Also wird tanninreiches Futter durch die Kunststofföffnung in den Pansen gelegt und nach einer geeigneten Futterkombination gesucht. Das Ziel: Die Produktion von Methan, so gut es geht, im Magen der Kuh zu senken und gleichzeitig ein leistungsstärkeres und gesundes Rind zu erhalten. So kann am Medikamentenverbrauch gespart, die Kosten für die Landwirte reduziert, Qualitätsprodukte erzeugt und der weltweite Fleischkonsum „klimafreundlicher“ gestaltet werden. Wichtig für das Geschäft der Tierausbeutungsindustrie, gerät diese doch im Bezug auf den Klimawandel immer mehr ins Fadenkreuz.
Aber was ist mit dem Lebewesen „Kuh“? Diese dient als reine Produktionsmaschine, die mit Maßnahmen optimiert werden soll, um mehr und mehr Milch und besseres Fleisch zu produzieren. Sie soll dabei möglichst viel Gewinn abwerfen und die Umwelt nicht belasten. Nach dem Willen ihrer Lobbyverbände, Stichwort Mehrwertsteuererhöhung auf tierische Produkte, den Geldbeutel des Konsumenten aber auch nicht. Nur von einer Entlastung der Kuh, einem respektvollen Umgang mit ihrem sanften Wesen und eine Bereicherung ihres Lebens ist nicht die Rede. Doch zum Glück der Milch- und Fleischproduzenten kann (sich) eine Kuh nicht (be)klagen.
Anstatt Steuergelder in langwierige und kostspielige wissenschaftliche Analysen zu stecken (betroffen sind teilweise auch Schafe oder Schweine, deren Vormagensystem ähnlich dem einer Kuh aufgebaut ist) und das Wohl von Lebewesen konsequent zu missachten, sollte mensch sich endlich an eine Ernährung wagen, die weniger klimaschädlich ist und andere Lebewesen in Frieden lässt. Gerade Deutschland, aber auch andere Länder sollten solch eine Ernährung unterstützen, statt klimaschädliches Verhalten zu subventionieren. Schließlich haben sie sich auf internationaler Ebene zu mehr Klimaschutz verpflichtet und die Landwirtschaft trägt eben wesentlich zum Klimawandel bei. Gemeint sind dabei nicht nur die Kühe und ihr natürlicher Verdauungsprozess, der eine Methanbildung mit einschließt. Gemeint sind damit auch die Mastanlagen, in denen zahlreiche Tiere gefangen gehalten, gezüchtet und gemästet werden. Gemeint ist damit die zunehmende Entwaldung durch intensiven Anbau von Futtermittel wie Soja oder Mais, die zudem die landschaftliche und biologische Vielfalt zerstört. Gemeint sind der Fleisch- und Milchkonsum und seine negativen Folgen
Die Fistelkühe sind eines der Beispiele für die unbeschreiblichen Auswüchse von Elend und Grausamkeiten der Kühe in der Milch- und Fleischindustrie. Sie sind eines der Exempel für den Wahnsinn, der hinter Fleisch und Milch steckt. Für die Behandlung und Betrachtung von Lebewesen als Ware und deren gnadenlose Ausbeutung. Einer Einstellung, unter der selbst die Umwelt langsam zusammenbricht. Das Tragische daran: Das Wohlergehen der Tiere, das der Umwelt und das des Menschen hängt alles miteinander zusammen. Ein Mensch kann nicht ohne Umwelt überleben. Da nutzt es nichts, grob gesagt, den armen Tieren noch Löcher in den Bauch zu bohren.
Die Natur erzeugt genug vitamin– und proteinreiche Vegetabilien, die sättigen. Immer mehr schmackhafte Alternativen zu Milch- und Fleischprodukten kommen hinzu. Der Mensch muss sich nicht an Nahrungsgewohnheiten klammern, die immense Leiden und Schäden hervorrufen. Anstatt weiter mithilfe neuer Technologien an fühlenden Lebewesen und der gesamten Natur herumzudoktern, sollte er anfangen, sein grundsätzliches Verhältnis zu Tier und Natur zu überdenken. Denn nicht „rülpsende“ Kühe sind ein Problem für die Natur, sondern Menschen, die diese massenhaft züchten und ausbeuten. Menschen, die nicht begreifen wollen, dass es keinerlei Notwendigkeit und damit auch keine Rechtfertigung für deren Nutzung gibt.
Weitere Quellen:
(1) Factsheet Fistelkühe Kurzfassung aus: www.agroscope.admin.ch
(2)(3) Häufige Fragen Fistelkuehe aus: www.agroscope.admin.ch
Foto:
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