Mastanlagen – wie lange noch?
Die Zahl der VegetarierInnen und VeganerInnen in Deutschland wächst. Parallel dazu wächst die Tierindustrie in Deutschland. Größer und größer wird sie, vor allem in Ostdeutschland. Trotz Diskussionen über Tierquälerei, Umweltbelastungen und Überproduktion. Klingt paradox, ist aber so.
Die größten Mast- und Zuchtanlagen befinden sich, laut Fleischatlas 2016, in Mecklenburg – Vorpommern: Eine der größten Ferkelfabriken Europas steht im Landkreis Vorpommern-Greifswald. Fast 10 600 Muttersauen fristen hier ihr Dasein, plus etwa 250 000 Ferkel, die darin jährlich auf diese Welt kommen. Im gleichen Landkreis stehen 18 000 Tiere in einer Rindermastanlage. In Vorpommern-Rügen sind 966 000 Hähnchen in den Anlagen eingesperrt. Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen sind jedoch die Zentren für die Schweinehaltung – allen voran der Kreis Vechta, bei Cloppenburg.
Aber: Immer weitere Anlagen werden beantragt.
Und sie werden immer größer. Kein Wunder, bei den ganzen Vorteilen, welche diese Betriebe genießen: Sie können billiger Betriebsmittel einkaufen. Die Bodenbearbeitung zusammenhängender und großer Flächen ist ökonomischer, zudem erhalten sie mehr Geld durch die Flächenprämien der EU. Die Forderung der Ernährungsindustrie nach Mindestmengen bei der Anlieferung stärkt sie zusätzlich.
Für alle wirtschaftlichen Vorteile ist gesorgt. Die industrielle Tierhaltung wird sogar gefördert, mit Fördermittel aus dem Agrainvestitionsförderprogramm (AFP), ein deutschlandweites Förderinstrument. In Mecklenburg-Vorpommern, das Land der „Megaställe“ (1), bekamen damit zwischen 2007 und 2011 935 Agrarunternehmen einen Zuschuss – insbesondere im konventionellen Bereich. Zwar passte die Landesregierung ihre Förderkriterien an und setzte auf etwas mehr Tierschutz und ökologische Tierhaltung, konventionelle Anlagen werden „unter bestimmten Umständen“ trotzdem weitergefördert. Auch andere Landesregierungen wie beispielsweise in Hessen, die mehr auf die Förderung von Bauernhöfen setzen, unterstützt den Bau konventioneller Ställe: 20 Prozent für Ställe ohne Auslauf und Tierschutzleistungen, 40 Prozent für Anlagen, die „geringfügig mehr Tierschutz bietet als gesetzlich zwingend“. (2)
Genügend Kontrolleure, die Verstöße gegen das Tierschutzgesetz melden könnten, gibt es für diese geförderten Mast- und Zuchtanlagen aber nicht. Seltsam. Schlimmer noch, gegenüber Großbetrieben, die wirtschaftlich wichtig sind, zeigen sich Kreisbehörden eher nachsichtig. So enthüllen Tierrechtsorganisationen wie Animal Rights Watch beispielsweise regelmäßig Fälle, die gegen das geltende Tierschutzgesetz verstoßen, und erstatten oftmals Strafanzeigen. Doch in vielen Fällen werden Ermittlungen ergebnislos eingestellt – wenn sie überhaupt erst aufgenommen werden. Entweder sind die Schmerzen nicht lang anhaltend oder wiederholend, in anderen Fällen nicht erheblich, kurzum: nicht tierschutzwidrig. (3)
Und nicht nur das: Laut des Vereins Rettet den Regenwald e.V. hat Deutschland den Bau von zwei Käfigbatterien in der Ukraine mit Bürgschaften abgesichert. Es finanziert also mit öffentlichen Geldern tierquälerische Haltung im Ausland, die in Deutschland verboten sind.
Folglich klingt es gerade zu zynisch, dass sich der Bund laut zeit.de bei der Forderung nach eines deutschlandweiten Kükentötungsverbots dagegen aussprach, da „Gefahr bestehe, dass die Brütereien ihre Arbeit ins Ausland verlagern“.
Mastanlagen belasten die Umwelt. Gerade in den Regionen, wo die meisten Tiere gezüchtet und gemästet werden, ist die Grundwasserqualität durch die hohe Nitratbelastung schlecht. Die Anlagen stoßen immense Mengen an Gülle aus, die auf Äckern und Grünland verteilt werden müssen. Böden, Biotope und alle Gewässer werden folglich mit Nitrat überdüngt. Die Gewässer des nördlichsten Bundeslandes mit samt den Meeren vor seinen Küsten sind bereits im schlechten Zustand. Dabei haben sich alle Mitgliedsstaaten mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie von 2000 dazu verpflichtet, bis 2015 alle Wasservorkommen in einem guten ökologischen Zustand umzuwandeln: die Flüsse, die Küstengewässer der Nord-und Ostsee und das Grundwasser. Die Konsequenz? Keine klaren bundesweit einheitlichen Grenzen. Vieles ist auf Länderebene geregelt oder muss dort umgesetzt werden. Laut Fleischatlas 2016 soll die Bundesregierung sogar auf eine Verlängerung der Frist bis 2027 zielen.
Hinzu kommt der Ammoniakausstoß in die Luft. Zwar gibt es nun die Biogasanlage, die ein Teil der Gülle in Energie umwandelt – dies bleibt mit Blick auf die Luftverschmutzung aber eher wirkungslos. Laut des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) spielt die Landwirtschaft bei der Emissionsminderung eine Schlüsselrolle. Also forderte auch der SRU die Bundesregierung auf, Stickstoffeinträge aufgrund von Umwelt – und Gesundheitsschutz beträchtlich zu reduzieren.
Trotzdem werden Mastanlagen weiterhin genehmigt.
Eine weitere Belastung für Böden und Gewässer ist der Anbau von Futtermittel wie Soja oder Mais. Für die industrielle Tierhaltung benötigt man mehr Futtermittel – je mehr Fleisch die Menschen in sich hineinschlingen, desto mehr Tiere und Futtermittel sind nötig. Von nichts kommt auch nichts. Diese Futtermittel werden in Monokultur angebaut und erfordert eine starke Düngung, nicht nur mit Gülle. Also steigt der intensive Ackerbau mit gentechnisch verändertem Soja und synthetischen Düngern plus Pestiziden wie Glyphosat. Dieses Totalherbizid tötet jede Pflanze auf einem gespritzten Feld ab, es sei denn, sie ist entsprechend gentechnisch verändert. Die Folgen sind weniger Wildpflanzen auf und neben den Ackerflächen und weniger Lebensraum für noch weniger Insekten – die Hauptnahrung für andere Tiere wie etwa Vögel. Die landschaftliche und biologische Vielfalt nimmt folglich stetig ab, somit auch der natürliche Lebensraum von Wildtieren – im In- und Ausland. So ist die Hauptursache für die Zerstörung des Regenwaldes die Rinderzucht, mehr noch die gesamte Nutztierindustrie und der Anbau der dazu benötigten Futtermittel. Für die Förderung von Glyphosat ist Geld vorhanden: Über die Agrar-Umwelt-Programme der Bundesländer werden jedes Jahr Millionen von Euro für das Versprühen von Glyphosat bewilligt.
Überall wird mit Ausnahmeregelungen gearbeitet, selbst wenn es das Wohlergehen von Umwelt und Mensch betrifft, von Tieren ganz zu schweigen. Dafür freuen sich Investoren aus anderen (Bundes -) Ländern mit verschärften Umweltauflagen. Diese suchen gerade diese Regionen auf, in denen die Auflagen ihr Geschäft noch nicht behindern. So steigt die Fleischproduktion weiter und weiter. Die Überproduktion ist im vollen Gange.
Aber: Mastanlagen werden immer weiter gebaut.
So übersteigt die niedersächsische Schweinefleischproduktion schon seit 2005 den Verbrauch in Deutschland. Macht nichts, dann exportiert mensch Fleisch und Fleischprodukte ins Ausland – inzwischen in 125 Ländern weltweit. Auch nach Afrika, größtenteils aber Reste aus der heimischen Produktion, die europäische Fleischkonsumenten nicht so gerne mögen. Uninteressant ist dabei, dass die niedrigen Preise dort die lokalen Märkte ruinieren. Das Gleiche geschieht nebenbei mit der Milch: Auch hier besteht eine Überproduktion. Beschämend, denkt man an das ganze Leid der Kuhmütter und deren Kälber. Nicht so für die Milchindustrie: Diese kurbelt einfach den Weltmarkt an und exportiert. Immerhin war Deutschland letztes Jahr vor allem beim Export von Milchpulver erfolgreich – vorwiegend in den Drittstaaten.
Mit neuen Mastanlagen kommen neue „Verarbeitungsanlagen“, auch Schlachthöfe genannt. Riesige Tötungsanlagen, die sich rund um die Gebiete konzentrieren, wo sich die Mastanlagen befinden. Im Standort Wietze in Niedersachsen nahm 2011 schon der größte Geflügelschlachthof den Betrieb auf. Über 40 000 Tiere entreißt mensch hier täglich gewaltsam aus dem Leben.
Ein weiteres Problem der riesigen Tötungsanlagen? Es gibt, trotz der vielen Mastanlagen, zu wenig Tiere, die getötet werden können. Die Schlachthöfe müssen ausgelastet werden, schließlich müssen für die Produktionsmittel genügend Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen. Folglich nehmen auch die Tiertransporte zu. Über Hunderte von Quadratkilometern karrt mensch die Tiere nun heran. Dabei übertrampeln und verletzten sie sich (manche tödlich) wegen Überladung und Stress oder verdursten aufgrund fehlender Wasserversorgung plus Überschreitung der Transportzeit. Und auch hier: ungenügende bis fehlende Tierschutzvorgaben und mangelnde Kontrolle. Das Entscheidende ist, die kostspieligen Schlachtanlagen sind nicht unterfordert.
Bei der Schlachtung geht es mit der Qual der Tiere gleich weiter. Alles muss schnell gehen, Zeit ist Geld. Also bleibt kaum eine Minute für das Betäuben, Abstechen und Entbluten. Bis zu 70 Rinder pro Stunde und bis zu 750 Schweine müssen ihr Leben lassen, bei Hühnervögeln noch viel mehr. Bei dieser Geschwindigkeit ist es nicht verwunderlich, dass Fehlbetäubungen vorkommen. Die Fehlerquote liegt bei etwa neun bis zwölf Prozent (5). Die Tiere, die darunter fallen, werden bei vollem Bewusstsein erstochen und entblutet.
Aber: Mastanlagen werden weiter gefördert.
Laut dem Bündnis Tierfabriken-Widerstand kündigte Brandenburgs Landwirtschaftsminister an, noch mehr Massentierhaltung in das Bundesland zu holen.
In dem Oranienburger Ortsteil Zehlendorf planen Investoren aus Holland und Niedersachsen zwei Legehennen-Anlagen, in denen jeweils 21 000 Tiere „Platz haben“. Zum Leid der Tiere, die keine Stimme haben. Die Anwohner, die keine Lust auf den Gestank von Tierkot, Verunreinigung von Feldern und die Beeinträchtigung des Grundwassers haben, sind schon vorgewarnt. Denn sollte das Vorhaben genehmigt werden, haben auch sie keine Stimme. Warum? „Es sind zu wenige Hennen geplant“.
Ein Ende der Förderung von Massentierhaltung ist leider noch nicht in Sicht. Stattdessen versucht sich manch Fleischerzeuger zusätzlich in der Herstellung vegetarischer und veganer Produkte, um auch hier ein Stück vom Kuchen zu erhalten – während in seinen Anlagen und den Schachthöfen die verängstigten und gequälten Tiere weiter um ihr Leben schreien. Derweil Produkte von Firmen mit rein veganem Sortiment, denen wirklich Tiere, Menschen und Umwelt am Herzen liegen, aus den Supermarktregalen schleichend verschwinden.
Quellen:
(1) (2) (4) Fleischatlas 2016
(3) http://www.ariwa.org/aktivitaeten/780-wie-behoerden-tierquaelerei-ermoeglichen.html
http://www.ariwa.org/aktivitaeten/aufgedeckt/recherchearchiv/1126-ermittlungen-eingestellt.html
http://www.maz-online.de/Lokales/Oberhavel/Oranienburg/42-000-Legehennen-in-Zehlendorf-geplant
http://www.bund.net/aktiv_werden/aktionen/glyphosat_verbieten/kurzinfo/fragen_und_antworten/#c79749