Für mehr Tierwohl einfach Bio?
Biolebensmittel sind gesund und klimafreundlich. Für viele Konsumenten ist auch die bessere Tierhaltung ein Grund um Bioprodukte zu kaufen: Biofleisch, Bioeier, Biomilch und Biokäse. Alles super, alles gesund, allen geht es gut: Mensch, Tier, Umwelt. Bio ist toll.
Was bedeutet das für die Tiere?
Die Ökotierhaltung schreibt das Tierwohl groß. Schließlich gehe es darum, würdevoller mit den Tieren umzugehen.
Also erhalten sie ökologisches Basisfutter, auf synthetisch hergestellte Mittel zur Produktivitäts- oder Fruchtbarkeitssteigerung wird verzichtet. Selbst Antibiotika wird nicht verabreicht, zumindest nicht vorbeugend. Alle Tiere leben in Gruppen mindestens unter ökologischen Haltungsbedingungen: Sie verfügen über einen überdachten Außenklimabereich und erhalten natürlichen Lichteinfluss. Hörner, Flügel und Kämme dürfen die meisten Tiere behalten, Schnäbel bleiben weitestgehend ungekürzt.
Klingt alles wunderbar: Die Tiere führen bis zu ihrem Tod ein schönes Leben und mensch erhält danach ein „gesundes“ tierisches Produkt. Qualität wird in der Biohaltung groß geschrieben.
Leider kommen immer wieder Betriebe mit katastrophaler Haltung ans Tageslicht. Enttäuscht stellt mensch fest: Auch alternativen Haltungsformen wie die Biohaltung sehen Tiere als „Nutztiere“ an. Ihre Aufgabe ist produzieren, Tierwohl hin oder her. Selbst hier werden tote Tiere zwischen den Lebenden gefunden, gestorben aufgrund von Krankheiten oder Verletzungen. Krankenstationen sind, laut der Tierrechtsorganisation Ariwa, auch in der Biohaltung nicht vorgeschrieben. Sie sind höchstens Einzelfälle und zudem noch schwer zu managen – die Tierbestandszahl ist zu hoch. (1)
Soko Tierschutz (2) enthüllte Mangelzustände auf einem Betrieb der Herrmannsdorfer Landwerkstätten mit Kühen, Hühnern und Schweinen: Eine handschriftlich geführte Liste über Ferkelsterblichkeitsraten in 2015, deren Muttertiere in Kastenständen dahin vegetierten. Außerdem Bestände von Antiobiotika und Oxytocin, das zur Geburtshilfe eingesetzt wird.
Die taz berichtete vom Ökobauernverband Bioland, der entgegen eigener Regeln den Tieren Antibiotika verabreichte. Es habe keine alternative Behandlung aus Sicht des Tierschutzes gegeben, so die Argumentation. Aber kein Grund zur Sorge für die Konsumenten: Die mit Antibiotika vollgepumpten Produkte werden dann „nur mit dem gesetzlichen EU-Biosiegel und nicht mit dem teureren Bioland-Siegel verkauft“. (3) Beruhigend.
Auch in der Biowelt erhalten die Tiere Antibiotika. Folglich erkranken sie hier genauso. Der Hauptgrund ist und bleibt die Haltungsbedingungen, da kann mensch drehen und wenden, wie er will. Der Einsatz von Antibiotika ist der Beweis. Also doch nichts mit dem Tierwohl?
Das Biohuhn der Zukunft
Die Ökologische Tierzucht gGmbH (4), eine Initiative von Bioland und Demeter, ist gegen den sinnlosen Mord männlicher Küken. Auch die Alternative der In-ovo-Geschlechtsbestimmung halten sie aus ethischen Gründen nicht vertretbar. Schließlich dürfen die männlichen Küken so gar nicht erst auf die Welt kommen und leben. Eine sinnlose Vernichtung von Leben fände hier statt.(5) Der respektvolle Umgang mit den Tieren und den Regeln der Natur ist wichtig.
Also ist die Initiative auf der Suche nach dem bestmöglichen Zweinutzungshuhn, das einfach beide Produktionsrichtungen abdeckt. Ein Nutztier, das mensch doppelt nutzen kann, für die Eier- und Fleischproduktion. Damit eine wirtschaftliche Produktion möglich ist, muss das Tier auch hier genügend Leistung erbringen. Dies ist in dem Begriff „ZweiNUTZUNGshuhn“ impliziert. Diese Hühner dürfen 240 Eier im Jahr legen (6), statt bis zu 330 wie eine Legehenne in konventioneller Haltung. Respektvoller Umgang mit der Natur klingt anders. In der Natur legt ein Huhn schließlich nur maximal sechs befruchtete Eier im Jahr, um sich zu vermehren.
Immerhin dürfen die männlichen Küken hier am Leben bleiben, denn sie werden sinnvoll weiterverwendet. Pro Legehenne darf ein männliches Küken auf einem Mastbetrieb mit Zugang zum Freiland aufwachsen. (7) Ziel ist es, den männlichen Küken bis zu 22 Wochen Leben zu gewährleisten, währenddessen sie bis zu drei Kilo Lebendgewicht erreichen können. Dann sind sie schlachtreif. (8) Dafür haben sie während ihres kurzen Lebens für eine bessere Fleischqualität Biofutter erhalten und keine Antibiotika. Außer (!) es muss aus Tierschutzgründen zu einem Einsatz dieses Medikaments kommen. Dann werden die Tiere anderweitig dem Markt zugeführt. (9)
Es gibt kein Fleisch von glücklichen Tieren – nur von toten (10)
Fazit? Bio hin oder her: Die Tiere werden gegen ihren Willen in Gefangenschaft gehalten und ausgebeutet. Solange mensch an ihnen verdient, müssen sie produzieren. Und auch in der Biowelt werden diese Tiere schließlich abtransportiert. Der einzige Unterschied zwischen Bio und konventionell besagt die Ökoverordnung mehr schlecht als recht. Die Tiertransportdauer soll „möglichst kurz“ gehalten werden. (11) Aha.
Verängstigt erreichen sie ihren Sterbeort. Sie landen in den gleichen Schlachthäusern wie die anderen armen Kreaturen der konventionellen Haltung: Kein Einziges stirbt hier freiwillig, sondern gewaltsam. In langen Reihen werden sie an ihren Füßen aufgehängt und zur Betäubung durch ein Strombad gezogen. Bei Fehlbetäubung flattern sie panisch weiter herum, bis sie bei vollem Bewusstsein geschlachtet werden.
Mit Tierwohl hat das nichts zu tun, artgerecht ist dies ebenso nicht. Zudem belastet auch die Biotierhaltung die Umwelt, ihre natürlichen Ressourcen wie Boden oder Wasser und das Klima. Wer wirklich umweltbewusst essen will, steigt auf eine biovegane Ernährung um. Für eine wirkliche Schonung des Klimas und der natürlichen Ressourcen. Für die Erhaltung fruchtbarer Böden. Für den Schutz der Artenvielfalt. Und für echtes Tierwohl!
Quellen:
(1) http://www.biowahrheit.de/inhalt/huhn
(2) http://www.soko-tierschutz.org/de/news/
(3) http://m.taz.de/!5272405;m/
(4) http://www.oekotierzucht.de/projekt-freie-oekologische-gefluegelzucht/
(5) http://www.oekotierzucht.de/experten-unterstuetzen-die-position-der-oetz-geschlechtsbestimmung-im-ei-loest-das-problem-der-sinnlosen-toetung-von-maennlichen-kueken-nicht/
(6) http://www.oekotierzucht.de/ueber-uns/
(7) http://www.bruderhahn.de/das-garantieren-wir/
(8) (9) http://www.bruderhahn.de/das-garantieren-wir/#_biofutter
(10) Karen Duve in „Anständig essen: Ein Selbstversuch“, Galiani-Berlin 2010
(11) http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Landwirtschaft/OekologischerLandbau/834_2007_EG_Oeko-Basis-VO.pdf;jsessionid=AF813FBC85AC1E89C11E4527D83CBD0B.2_cid376?__blob=publicationFile, S.23
Foto: Pixabay