Kein Schwein gehabt

Jedes Jahr werden alleine in Deutschland fast 60 Millionen von ihnen getötet, um auf dem Teller zu landen. Geboren um zu leiden – weil sie als essbar deklariert wurden. Für sie ist es die Hölle auf Erden, in der alles wie am Fließband läuft.

Lebendige Geburtsmaschinen sitzen oder liegen benommen und eingezwängt in Kastenständen oder Abferkelgittern, auch „eiserne Jungfrauen“ genannt. Fast ihr ganzes Leben verbringen sie trächtig – Intensivzucht eben. In Besamungsständen, im englischen oft „rape jack“, „Vergewaltigungsgestelle“, genannt, besamen Menschen sie künstlich.

Zukünftige Produkte, die vorher noch produzieren sollen, am besten mehr als die Natur vorsah. AbferkelboxSo bringen sie in den Abferkelbuchten über sechs oder sieben Ferkel auf die Welt, mehr als sie Zitzen haben. Also trennen die Züchter die Ferkel nach etwa drei Wochen von ihren Müttern- nur zum Schutz der Ferkel. Auf der Suche nach mütterlicher Wärme könnten sie sich durch das Gitter ihrer bewegungsunfähigen Mutter nähern und von ihr erdrückt werden. Sind diese „Zuchtsauen“ nach jahrelangem Missbrauch nicht mehr fortpflanzungsfähig, nicht mehr produktiv, folgen der traumatische Transport und die Tötung. Sie haben ausgedient.

Wie jede Mutter leiden auch diese unter der ständigen Wegnahme ihrer Kinder. Und für Letztere, unschuldig und unwissend geboren, beginnt der Albtraum erst. Nach dem Verlust ihrer Mutter packen Menschen sie hoch, schneiden ihnen die Schwänze und schleifen ihnen die Zähne ab – ohne Betäubung, die wäre zu teuer. Aber zu ihrem Besten, sonst verletzen sie sich durch die aufkommenden Verhaltensstörungen. Auch die Hoden schneiden menschliche Arbeiter zur Vorsorge heraus – ohne Narkose, zu kostspielig. Die Kastration ist jedoch laut den Züchtern wichtig: Der hormonell bedingte Geruch eines Ebers darf den Geschmack des Fleisches nicht beeinflussen. Die kleinen Ferkel erfahren statt Mutterliebe den puren Schmerz und brüllen diesen in eine Welt hinaus, in der sie niemand hört.

Zu kleine oder kranke Ferkel sind unrentabel. Arbeiter schlagen sie mit dem Kopf auf dem Boden oder gegen Buchtenwände. Ein-, zwei-, dreimal – Hauptsache endlich tot. Manche überleben trotzdem und landen zappelnd in den Müllcontainern. Das Totschlagargument: Es ist billiger.

Die Überlebenden

Sie müssen in Mastfabriken nach etwa sechs Monaten das Schlachtgewicht von 110 Kilo erreichen. Während dieser sechs Monate verweilen sie in halbdunklen bis dunklen Ställen oder Gebäuden. Breifutterautomaten und Abfütterungsanlagen sorgen dafür, dass sie genügend essen. Manche Ferkel bekommen nicht ganz erlaubte Futtermittel oder gar Schlachtreste ihrer Artgenossen. Sie leben und schlafen auf kalten Beton- oder Spaltenböden. Mit Medikamenten betäubt vegetieren sie in ihren eigenen Fäkalien und Urin vor sich hin. Haben sie Glück im Unglück, können sie drei Meter vor- und zurückgehen. Nur mit einem Gewicht von über 110 Kilo darf ein Schwein in der konventionellen Haltung ein Quadratmeter für sich beanspruchen. Lebensfreude ist hier zu teuer, Bewegung nicht rentabel. Zunehmen sollen sie, bis sie unfähig sind, ihr eigenes Gewicht zu tragen. Das Resultat: Kreislaufschwäche, Salmonellen-Infektionen, Gastroenteritis, Unfruchtbarkeit als Folge der Virusinfektion PPV. Laut einer tierärztlichen Studie leiden neun von zehn Schweinen an Entzündungen der Beingelenke. (1) Dazu kommen Beulen, Ersatzschleimbeutel, an den Beinen und verletzte Fußballen. Und Lungenkrankheiten, aufgrund der giftigen Ausscheidungsgase in unbelüfteten und überfüllten Räumen.

MasthaltungDurch die Gefangenschaft entwickeln Schweine Verhaltensstörungen. Zudem werden ihre sozialen Gruppen neu zusammengestellt – einige kommen, andere werden abtransportiert. Die Folgen sind Frustration, Rangkämpfe und Verletzungen. Da auch sie stressanfällig sind, sind viele körperlich und seelisch stark beeinträchtigt. Ihre Körpertemperatur ist erhöht, sie beginnen zu zittern. Dieses Schweine-Stress-Syndrom führt bis zum Tod.(2) Wann dieser eintrifft, hängt davon ab, wie viel das jeweilige Schwein aushalten kann. Fünf Prozent der Schweine überleben diese Gefangenschaft nicht.

Die Reise in den Tod

Nach Erreichen des Schlachtgewichts folgt der Transport der noch mehr schlecht als recht lebenden „Ware“. Dies ist der Zeitpunkt, wo sie zum ersten und zum letzten Mal Tageslicht sehen. Arbeiter treiben die Tiere, darunter kranke, nicht transportfähige Ferkel, mit Elektroschockern oder Kunststoffpaddeln auf die Transporter. Teilweise werden sie aufgrund von Platzmangel zusammengequetscht oder aufeinandergestapelt abtransportiert. Der Transport kann über 28 Stunden anhalten. Nahrung oder Wasser erhalten die Schweine selten. Auch vor heißen oder eiskalten Temperaturen sind sie nicht geschützt. So sterben die Nächsten auf dem Weg zum Schlachthof.

Transport
Die Tötungsfabriken liegen meist außerhalb der Stadt. Dieses Debakel soll nicht jeder mitbekommen, genauso wenig wie den Leichengeruch nach dem Schlachtvorgang. Schweinen bleibt auch dies nicht verwehrt. Sie müssen den Geruch von Angst und Blut ertragen. Sie nehmen die Angst- und Schmerzensschreie ihrer Artgenossen wahr. Sie sind sich darüber bewusst, was hier passiert. So berichtet ein Schlachter:
„Man kann es ihnen in ihren Augen sehen, sie wissen, was mit ihnen geschieht.“ (3)
Arbeiter treiben die Schweine in einen engen Gang, auch Rutsche genannt. Diese führt in den Betäubungs- und Schlachtbereich. Nacheinander laufen sie in den Tod. Die hinteren hören dabei das Geschrei der im Tötungsbereich Angekommenen.
Ein Schlachthofarbeiter berichtet: „Wenn die Schweine Blut riechen, wollen sie nicht weiter. Ich habe gesehen, wie Schweine geschlagen, gepeitscht, gegen den Kopf getreten worden sind, um sie in die Betäubungsanlage zu kriegen. An einem Abend habe ich gesehen, wie ein Treiber so wütend auf ein Schwein wurde, dass er ihm mit einem Brettstück den Rücken gebrochen hat. […]“ (4)

Neben den Stromschlägen gibt es auch die Vergasung als weitere Betäubungsvariante. Hierbei führen Arbeiter die Schweine in kleineren Gruppen in Gondeln. Diese gleiten hinunter in den Betäubungsbereich. 140 bis 150 Sekunden müssen die Tiere im Gas verharren. Fünfzehn Sekunden lang kämpfen sie mit Atemnot und der Panik zu ersticken. Dann erst sind sie bewusstlos. Die Gondel fährt hoch und das einzelne Schwein fällt in ein Auffangbecken. Dann erfolgt die Befestigung der Hinterbeine an Haken. (5)

SchlachtungDas Abstechen beginnt: Ein Schlachter durchsticht die Halsschlagader des Schweins mit einem Messer, ein anderer zieht es heraus. Da viele Schlachthofmitarbeiter mangelhaft geschult sind, kommt es vor, dass Schweine durch fehlerhafte Betäubung diese Station noch bei vollem Bewusstsein erreichen. Dabei winden sie sich an den Haken oder Ketten. Ein Schlachter hat durchschnittlich höchstens fünf Sekunden Zeit pro Tier – Zeit ist Geld! Reicht diese Zeit nicht aus, sind diese Schweine bei dem anschließenden Vorgang der Haarentfernung auch noch bei Bewusstsein. Laut dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel werden hierbei jährlich etwa 500 000 Schweine lebend in den Brühtank getaucht. (6) Sie ertrinken unter großen Qualen.

Um dem Ganzen die Krönung aufzusetzen, werden an Fleischtheken und in der Werbung für Fleisch- und Wurstwaren Schweine lächelnd dargestellt. Als hätte ihnen allen die ganze bestialische Prozedur auch noch Spaß gemacht.
Die Autorin Juliet Gellatley erzählt von der Begegnung mit einem Schwein in einem Mastbetrieb: „Als ich mit ihm auf gleicher Höhe war, hob er den Kopf und schleppte sich auf lahmen Beinen langsam in meine Richtung. Bedächtig richtete er den Blick direkt auf mich, starrte mir in die Augen. Mir war, als sähe ich in diesen traurigen, intelligenten Augen eine dringende Bitte, eine Frage, auf die ich keine Antwort wusste:>Warum tut ihr mir das an?<„(7)

Für ein Stück Schnitzel? Für eine Wurst? Weil es eben, so ist?

Quellen:

(1) http://www.sueddeutsche.de
(2) Jeffrey M. Masson, Wovon Schafe träumen. Das Seelenleben der Tiere, Wilhelm Heyne Verlag, München 2006  
(3) Jeffrey M. Masson, Wovon Schafe träumen.
(4) Melanie Joy, Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen. Karnismus – eine Einführung, compassion media, Münster 2013
(5) http://www.deutschlandradiokultur.de
(6) Melanie Joy, Warum wir Hunde lieben, Schweine essen und Kühe anziehen.
(7) Jeffrey M. Masson, Wovon Schafe träumen.

Fotos: © Dirk Gießelmann, soylent network.com

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