Die Gier nach Blut

Die Rede ist nicht von tiefschwarzen Fledermäusen, die Tieren auflauern, sich auf sie stürzen und deren Haut mit ihren Zähnen aufritzen, nur um das auslaufende Blut zu trinken. Es handelt sich hierbei auch nicht um Vampire: Wesen, die nachts als lebendige Leichname kalkweiß aus ihren Särgen steigen – auf der Suche nach Lebenden, um ihren Blutdurst zu stillen.
Hier geht es um die Gier von lebendigen Menschen nach Blut. Sie trinken es zwar nicht, aber sie brauchen es. Es macht sie reich. Und es macht sie blind – die Gier nach Geld, nach Profit, ihre eigene Habsucht. Deren Opfer: Kühe, Kälberföten, Pferde, Fohlen und Mensch.

Profit auf Kosten ungeborener Kälber

Half muzzleof calf close-up. Black and white portrait

Anfang August 2015 kamen die obskuren Geschäfte mit dem roten Lebenssaft an die Öffentlichkeit: dem Blut von Kälberföten, aus dem ein wichtiges Serum namens FKS gewonnen wird. Für Medizin und Forschung ist FKS notwendig, um Impfstoffe herzustellen. Es dient als Nährlösung, um Zellkulturen am Leben zu erhalten. Diejenigen, die nicht am Leben bleiben oder genauer gesagt, gar nicht erst auf die Welt kommen dürfen, sind die Kälber. Für die Fleischindustrie ist das ungeborene Kalb das „Schlachtnebenprodukt“ (1). Für Serumhändler ein Profit bringendes Geschäft.
Nach der Tötung trächtiger Kühe auf den Schlachthöfen folgt die sofortige Entnahme der Gebärmutter mit dem Kälberfötus. Der Fötus ist das noch lebende Kalb. Dieses bekommt „eine dicke Nadel zwischen die Rippen durch Haut und Muskeln direkt in das schlagende Herz gestoßen.“ (2) Manch einer unter uns wird schon beim Impfen oder der Blutabnahme mit einer dünnen Nadel kreidebleich. Andere leiden unter Angstzuständen, wenn sie nur den Namen „Spritze“ hören. Aber diese Kälber bekommen es gleich auf die harte Tour: eine dicke Nadel bis zum Herz und alles ohne Betäubung. Das lebende Tier wird über einen Plastikschlauch quasi unter immensen Qualen blutleer gesaugt – bis es stirbt.
Beim Lesen wurde mir schlecht.
Ungefähr ein halber Liter kann aus jedem Kälberfötus „gewonnen“ und zu hohen Preisen verkauft werden. (3) Zur Freude der Unternehmen, die mit diesem Blut handeln. Und zum Wohlgefallen der Pharmafirmen und Labore, die dieses Serum benötigen – auch um angeblich moderne Medikamente für unterschiedliche Krankheiten zu entwickeln.
Wo Gier herrscht, lässt Manipulation nicht lange auf sich warten: Herkunftsangaben werden laut der Süddeutschen Zeitung gefälscht und Seren untereinander vermischt. Dies führt zu Verunreinigungen, sodass Tierseuchenerreger oder Krankheiten weiter transportiert werden können. (4)
Der Witz an der ganzen Sache ist: Es gibt bereits Alternativen zu diesem ganzen Elend. Ärzte gegen Tierversuche veröffentlichten auf ihrer Seite eine Liste der britischen Organisation Focus on Alternatives. (5) Darunter sind viele Nährflüssigkeiten ohne tierische Bestandteile, also ohne Kälberleid. (6) Viele Firmen bieten diese Zellkulturmedien heutzutage an.

Her mit dem Pferdeblut

PferdeaugeEinige Wochen später wurde mir ein zweites Mal schlecht. In Argentinien und Uruguay werden trächtige Pferde malträtiert. Auch ihr Blut ist wertvoll für die Pharmaindustrie. Und für die Fleischindustrie: Das in dem Blutserum enthaltene Hormon PMSG bietet die Möglichkeit, die Ferkelzucht zu beschleunigen und somit zu erhöhen. Die Muttertiere sollen demnach noch mehr produzieren. Wozu eigentlich? Werden nicht schon bis zu 20 % der neugeborenen Ferkel getötet, weil sie zu schwach sind und die Mutter nicht genügend Zitzen hat, um alle diese ausreichend zu ernähren? Ein „Überschuss“ besteht bereits!
Und trotzdem: Hunderte Stuten stehen auf „Blutfarmen“ (7) und bekommen regelmäßig Blut abgezapft. Auch hier soll alles im Verborgenen geschehen. Doch die Tierschutzorganisation „Animal Welfare Foundation“ hat dies bei ihren Recherchen zu Pferdefleisch entdeckt: Arbeiter zwingen die Stuten in Treibgänge und schlagen dabei mit Knüppeln, Peitschen oder Elektrotreiber auf sie ein. Am Ende der Treibgänge befinden sich die Fixierboxen. So wie alle anderen „Nutztiere“, haben diese Pferde Angst und versuchen zu fliehen oder sich zu wehren. Die Folge sind weitere Schläge, die teilweise fast zur Bewusstlosigkeit der Pferde führen. Die Blutabnahme folgt anschließend. Rücksichtslos setzen Arbeiter ihnen eine Aderlasskanüle. Laut der „Animal Welfare Foundation“ sind „nach 10 Minuten […] rund 10 Liter Blut entnommen, ein Viertel der gesamten Blutmenge dieser zierlichen Pferde.“ (8) Die Tierschutzorganisation hat sogar beobachtet:

Einer Stute, die nach der Blutentnahme völlig benommen zwischen zwei Fixierboxen in einen Gang torkelt und ihren Kopf erschöpft auf einem Balken ablegt, wird so lange auf den Kopf getreten, bis sie zusammenbricht und liegen bleibt. Sie stirbt und mit ihr das Fohlen.“ (9)

Das Fohlen ist hierbei wie der Kälberfötus ein Nebenprodukt. Oder sollte ich besser sagen, der Ausschuss der Tierindustrie? Die Körper der Stuten weisen von der Blutentnahme währenddessen Hämatome, Vernarbungen und Verwundungen auf. Völlig abgemagert und anämisch werden sie jedoch weiterhin geschwängert, bis sie nicht mehr können. Dann ergeht es ihnen wie allen anderen ausgeschröpften Muttertieren in der Fleischindustrie. Sie kommen zu „EU-zertifizierten Schlachthöfen“ (9) und werden getötet.

Kommen wir zu dem Begriff „Vampir“ zurück. Einschlägige Lexika schlagen mir dazu Synonyme wie Blutsauger, Egoist, Nimmersatt, Aasgeier, Ausbeuter und Profitmacher vor. Irgendwie passend.

Und mir wird wieder schlecht.
All diesen Tieren GEHT es schlecht!

Quellen:
(1) (3) http://www.tagesschau.de/inland/kaelberserum-101.html
(2) http://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/infos/tierversuchsfreie-forschung/1730
(4) http://www.sueddeutsche.de/wissen/pharmaindustrie-das-schmutzige-geschaeft-mit-dem-blut-ungeborener-kaelber-1.2602820
(5) http://www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/presse/pressearchiv/426-pressearchiv-2009.html?start=35
(6) http://www.drhadwentrust.org/DHT%20-%20FCS%20Free%20Table.pdf
(7) (8) (9) http://animal-welfare-foundation.org/fileadmin/DATEIEN/awf/Bericht-Hefte/Tierschutzbund_Bericht_9-2015_Web.pdf

Fotos:
1- © Angelika Bentin – Fotolia.com
2- © korionov – Fotolia.com

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