Heute, am zweiten Sonntag im Mai, ist wieder Muttertag. Der Tag, an dem mensch sich auch die einzigartige Verbindung zwischen Mutter und Kind in Erinnerung ruft. Zu welchen Kräften die Mutter fähig ist, um ihr Kind auf die Welt zu bringen, es zu schützen, groß zu ziehen und für das weitere Leben zu wappnen – sowohl die menschliche als auch die nichtmenschliche Mutter. Ich erinnere mich an Artikel in den Print- und Onlinemedien letztes Jahr, die über die „Supermuttis“ im Tierreich berichteten. Vergessen wurden dabei (nichtmenschliche) Mütter, die dies gar nicht erleben dürfen. Und gerade derer gedenke ich heute ganz besonders.
Ich gedenke den Hühnern, die in Legebetrieben eingesperrt sind, um Eier zu legen bis ihre Körper völlig erschöpft sind. Die nicht ein einziges Mal erleben können, wie ihr eigenes Küken aus dem Ei schlüpft. Ich denke an ihre Kinder, die, durch menschliche Hand zu Waisen gemacht, in Brütereien schlüpfen. Statt Mutterliebe folgt entweder die Mast, um noch im Kindesalter getötet und zu Hühnerfleisch verarbeitet zu werden oder sie treten in die Fußstapfen ihrer nie kennengelernten Mütter: Eier legen, bis ihre Legeleistung abnimmt und sie geschlachtet werden. Und ich denke an die männlichen Küken, die, sie konnten gerade noch mal „Piep“ sagen, kurz nach ihrer Geburt vergast oder geschreddert werden.
Ich gedenke den Puten, die zur Produktion ihres Nachwuchses, den sie nie sehen werden, in Vermehrungsbetrieben gefangen gehalten werden. Ich denke an ihre Kinder, die Mutterliebe nie kennenlernen, geschweige denn spüren werden. Stattdessen übernehmen vollautomatische Brutmaschinen das Ausbrüten der zukünftigen Zucht- oder Masttiere, die noch im Kindesalter geschlachtet werden. Manche sogar noch früher um als „Babyputen“ vermarktet zu werden.
Ich gedenke den Schweinemüttern, die als lebendige Geburtsmaschinen in Kastenständen oder Abferkelgittern eingezwängt sind. Deren neugeborene Ferkel sich, auf der Suche nach mütterlicher Wärme, durch das Gitter ihren bewegungsunfähigen Mütter nähern und von ihnen, haben sie Pech, noch erdrückt werden. Ich denke an das Leiden dieser Mütter, die die Schmerzensschreie ihrer Kinder hören, wenn ihnen Schwänze, den männlichen Kindern zusätzlich die Hoden ohne Betäubung ab- beziehungsweise herausgeschnitten werden – und die Mütter nichts tun können. Wie sie das Brüllen ihrer Kinder miterleben müssen, während diese totgeschlagen werden. Und ich denke an ihr unvorstellbares Leid, wenn ihre Babys von ihnen genommen werden.
Apropos „Wegnahme“: Ich gedenke all den Tiermüttern wie Kühe, Ziegen oder Schafe, die aufgrund des menschlichen Konsums ihrer Muttermilch, ihre eigenen Kinder kurz nach der Geburt weggenommen bekommen – Jahr für Jahr. Hilflos müssen sie dem Kinderraub zusehen und trotzdem versuchen manche Mütter ihren Kindern noch hinterherzurennen, wenn sie weggefahren werden. Nützen tut dies leider nichts. Eine Kuhmutter versuchte, nach einer Zwillingsgeburt auf der Weide, wenigstens eines ihrer Kälbchen zu schützen: Eines der Zwillinge brachte sie zum Bauern, das andere versteckte sie am Weiderand im Wald. Leider folgte der Bauer ihr nach dem morgendlichen Melken auf die Weide, entdeckte das Kalb und nahm ihr auch dieses.
Ich denke an die Verzweiflung von Mutter und Kind. An das oft tagelange Rufen der Mütter nach ihren Kindern und die verängstigten Schreie jener nach ihren Müttern. Und ich denke an die Zukunft dieser Kinder. Die weiblichen erwartet meist dasselbe Schicksal wie das ihrer Mütter: Milch produzieren, bis sie ausgelaugt sind und die jährliche ungeheure psychische Belastung durch die Wegnahme ihrer Babys. Die männlichen Kinder enden zerstückelt als Lamm-, Kalbs- oder Jungbullenfleisch.
Zum heutigen Muttertag frage ich mich besonders, warum viele den Albtraum aller Mütter, der Väter sicherlich auch, bei anderen Müttern zulassen? Würden wir menschliche Frauen so ausgebeutet werden, wie diese nichtmenschlichen Mütter, würden wir uns nicht längst mobilisieren, um für unsere Rechte zu kämpfen, da unsere Körper doch uns gehören?
Der Muttertag in seiner heutigen Form wurde in der englischen und US-amerikanischen Frauenbewegung geprägt, die sich für Friedensprojekte und mehr Frauenrechte einsetzte. Jahrhundertelang wurden Frauen aufgrund ihres Geschlechts unterdrückt, dagegen kämpften sie lange an. Heute ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gesetzlich geregelt. Laut aktuellen Studien aber sitzen noch immer wenige Frauen in den höheren Etagen der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Politik. Ebenso verdienen Frauen immer noch weniger als Männer in vergleichbaren Positionen. Das Gefühl der Herabsetzung aufgrund ihres Geschlechts kennen viele Frauen heute noch und es fühlt sich nicht gut an.
Männer sollen nicht ihre Macht über Frauen ausüben. Frauen aber genauso wenig über Männer. Eine Mehrheit von Menschen soll ihre Macht nicht über einer Minderheit von Menschen ausüben. Die Minderheit über die Mehrheit aber auch nicht. Und Menschen sollen nicht ihre Macht über nichtmenschliche Lebewesen ausüben.
Allesamt haben nicht das geringste Interesse an Gewalterfahrungen in physischer oder psychischer Form – eine Gemeinsamkeit. Allesamt haben zudem elementare Gemeinsamkeiten wie Leidensfähigkeit, Schmerzempfinden, Emotionalität, Kognition und Sozialität. Und alle haben das Recht auf Unversehrtheit, auch nichtmenschliche Tiere, ob uns das gefällt oder nicht. Auch sie wollen nicht eingesperrt werden, auch nicht ein bisschen, sondern gar nicht. Auch sie wollen nicht ausgebeutet werden, auch nicht ein bisschen, sondern gar nicht. Auch sie wollen nicht Schmerz erleiden, auch nicht ein bisschen, sondern gar keinen. Und auch sie wollen nicht getötet werden, auch nicht „liebevoll“, sondern gar nicht.
Wir Menschen sind den Tieren nicht Erbarmen schuldig, sondern Gerechtigkeit!