I Help You
Stefanie Iwaniuk
Acryl auf Leinwand
60 x 40 cm
Stefanie Iwaniuk
Acryl auf Leinwand
60 x 40 cm
Stefanie Iwaniuk
Acryl auf Leinwand
100 x 150 cm
Heute, am zweiten Sonntag im Mai, ist wieder Muttertag. Der Tag, an dem mensch sich auch die einzigartige Verbindung zwischen Mutter und Kind in Erinnerung ruft. Zu welchen Kräften die Mutter fähig ist, um ihr Kind auf die Welt zu bringen, es zu schützen, groß zu ziehen und für das weitere Leben zu wappnen – sowohl die menschliche als auch die nichtmenschliche Mutter. Ich erinnere mich an Artikel in den Print- und Onlinemedien letztes Jahr, die über die „Supermuttis“ im Tierreich berichteten. Vergessen wurden dabei (nichtmenschliche) Mütter, die dies gar nicht erleben dürfen. Und gerade derer gedenke ich heute ganz besonders.
Ich gedenke den Hühnern, die in Legebetrieben eingesperrt sind, um Eier zu legen bis ihre Körper völlig erschöpft sind. Die nicht ein einziges Mal erleben können, wie ihr eigenes Küken aus dem Ei schlüpft. Ich denke an ihre Kinder, die, durch menschliche Hand zu Waisen gemacht, in Brütereien schlüpfen. Statt Mutterliebe folgt entweder die Mast, um noch im Kindesalter getötet und zu Hühnerfleisch verarbeitet zu werden oder sie treten in die Fußstapfen ihrer nie kennengelernten Mütter: Eier legen, bis ihre Legeleistung abnimmt und sie geschlachtet werden. Und ich denke an die männlichen Küken, die, sie konnten gerade noch mal „Piep“ sagen, kurz nach ihrer Geburt vergast oder geschreddert werden.
Ich gedenke den Puten, die zur Produktion ihres Nachwuchses, den sie nie sehen werden, in Vermehrungsbetrieben gefangen gehalten werden. Ich denke an ihre Kinder, die Mutterliebe nie kennenlernen, geschweige denn spüren werden. Stattdessen übernehmen vollautomatische Brutmaschinen das Ausbrüten der zukünftigen Zucht- oder Masttiere, die noch im Kindesalter geschlachtet werden. Manche sogar noch früher um als „Babyputen“ vermarktet zu werden.
Ich gedenke den Schweinemüttern, die als lebendige Geburtsmaschinen in Kastenständen oder Abferkelgittern eingezwängt sind. Deren neugeborene Ferkel sich, auf der Suche nach mütterlicher Wärme, durch das Gitter ihren bewegungsunfähigen Mütter nähern und von ihnen, haben sie Pech, noch erdrückt werden. Ich denke an das Leiden dieser Mütter, die die Schmerzensschreie ihrer Kinder hören, wenn ihnen Schwänze, den männlichen Kindern zusätzlich die Hoden ohne Betäubung ab- beziehungsweise herausgeschnitten werden – und die Mütter nichts tun können. Wie sie das Brüllen ihrer Kinder miterleben müssen, während diese totgeschlagen werden. Und ich denke an ihr unvorstellbares Leid, wenn ihre Babys von ihnen genommen werden.
Apropos „Wegnahme“: Ich gedenke all den Tiermüttern wie Kühe, Ziegen oder Schafe, die aufgrund des menschlichen Konsums ihrer Muttermilch, ihre eigenen Kinder kurz nach der Geburt weggenommen bekommen – Jahr für Jahr. Hilflos müssen sie dem Kinderraub zusehen und trotzdem versuchen manche Mütter ihren Kindern noch hinterherzurennen, wenn sie weggefahren werden. Nützen tut dies leider nichts. Eine Kuhmutter versuchte, nach einer Zwillingsgeburt auf der Weide, wenigstens eines ihrer Kälbchen zu schützen: Eines der Zwillinge brachte sie zum Bauern, das andere versteckte sie am Weiderand im Wald. Leider folgte der Bauer ihr nach dem morgendlichen Melken auf die Weide, entdeckte das Kalb und nahm ihr auch dieses.
Ich denke an die Verzweiflung von Mutter und Kind. An das oft tagelange Rufen der Mütter nach ihren Kindern und die verängstigten Schreie jener nach ihren Müttern. Und ich denke an die Zukunft dieser Kinder. Die weiblichen erwartet meist dasselbe Schicksal wie das ihrer Mütter: Milch produzieren, bis sie ausgelaugt sind und die jährliche ungeheure psychische Belastung durch die Wegnahme ihrer Babys. Die männlichen Kinder enden zerstückelt als Lamm-, Kalbs- oder Jungbullenfleisch.
Zum heutigen Muttertag frage ich mich besonders, warum viele den Albtraum aller Mütter, der Väter sicherlich auch, bei anderen Müttern zulassen? Würden wir menschliche Frauen so ausgebeutet werden, wie diese nichtmenschlichen Mütter, würden wir uns nicht längst mobilisieren, um für unsere Rechte zu kämpfen, da unsere Körper doch uns gehören?
Der Muttertag in seiner heutigen Form wurde in der englischen und US-amerikanischen Frauenbewegung geprägt, die sich für Friedensprojekte und mehr Frauenrechte einsetzte. Jahrhundertelang wurden Frauen aufgrund ihres Geschlechts unterdrückt, dagegen kämpften sie lange an. Heute ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gesetzlich geregelt. Laut aktuellen Studien aber sitzen noch immer wenige Frauen in den höheren Etagen der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Politik. Ebenso verdienen Frauen immer noch weniger als Männer in vergleichbaren Positionen. Das Gefühl der Herabsetzung aufgrund ihres Geschlechts kennen viele Frauen heute noch und es fühlt sich nicht gut an.
Männer sollen nicht ihre Macht über Frauen ausüben. Frauen aber genauso wenig über Männer. Eine Mehrheit von Menschen soll ihre Macht nicht über einer Minderheit von Menschen ausüben. Die Minderheit über die Mehrheit aber auch nicht. Und Menschen sollen nicht ihre Macht über nichtmenschliche Lebewesen ausüben.
Allesamt haben nicht das geringste Interesse an Gewalterfahrungen in physischer oder psychischer Form – eine Gemeinsamkeit. Allesamt haben zudem elementare Gemeinsamkeiten wie Leidensfähigkeit, Schmerzempfinden, Emotionalität, Kognition und Sozialität. Und alle haben das Recht auf Unversehrtheit, auch nichtmenschliche Tiere, ob uns das gefällt oder nicht. Auch sie wollen nicht eingesperrt werden, auch nicht ein bisschen, sondern gar nicht. Auch sie wollen nicht ausgebeutet werden, auch nicht ein bisschen, sondern gar nicht. Auch sie wollen nicht Schmerz erleiden, auch nicht ein bisschen, sondern gar keinen. Und auch sie wollen nicht getötet werden, auch nicht „liebevoll“, sondern gar nicht.
Wir Menschen sind den Tieren nicht Erbarmen schuldig, sondern Gerechtigkeit!
Eine Kuh gibt Milch. Nicht einfach so. Sondern wie jedes andere Säugetier, wenn sie ein Baby auf die Welt gebracht hat, um dieses zu ernähren. Dabei kümmert sich die Mutterkuh, genau wie andere Säugetiere, liebevoll um ihr Neugeborenes: Sobald es geboren wird, leckt die Mutterkuh dessen vom Fruchtwasser nasses Fell fürsorglich trocken. Tief und durchdringend muht sie dabei, dies stärkt die Bindung zwischen Mutter und Kind. Die Kuh identifiziert ihr Kind jederzeit an seinen Lauten und an seinem Geruch. Das Kalb kann seine Mutter bereits nach zwei oder drei Tagen an ihrer Stimme erkennen. In der ersten Lebenswoche bleibt es noch an einem abgeschirmten Ort liegen, wo seine Mutter es regelmäßig aufsucht, um es zu säugen. Bis zu achtmal täglich trinkt es minutenlang die Muttermilch, die alles enthält, um dieses Kälbchen zu einem großen, starken und gesunden Lebewesen heranwachsen zu lassen. Ab der zweiten Woche führt die Kuh ihr Kind zu der Herde. Sind in dieser mehrere Kälber, gründet die Herde einen Kindergarten, der unter der Aufsicht von erfahrenen Rindern steht. Hier können die Kälber miteinander über die Weiden toben. Etwa viermal täglich suchen die Mütter ihre Kinder auf um sie zu säugen. Gleichzeitig beginnt das Kalb auch pflanzliche Nahrung aufzunehmen. Ab dem zweiten Monat wird es eigenständiger und wechselt immer mehr zwischen Kindergarten und Herde, wobei es durchaus auch bei den erwachsenen Tieren Spielkameraden findet, die einer Runde Fangen durchaus nicht abgeneigt sind. Ansonsten heißt es Freundschaften pflegen, sich gegenseitig, als Zeichen inniger Verbundenheit, ablecken oder einfach auf der Weide liegen und das Leben genießen. Nach etwa acht bis neun Monaten werden weibliche Rinder auf ihre eigenen Füße gestellt, auf denen sie dann noch bis zu zwanzig Jahre ihres Lebens genießen können, wenn nichts dazwischen kommt. Die männlichen Kälber allerdings brauchen für ihre Selbstständigkeit etwas länger.
Anders sieht ihr Leben bei der Milchproduktion für den Menschen aus.
Verzweifelte Mütter und verängstigte Kinder
Damit der Mensch Kuhmilch trinken kann, werden die Kuhmütter von ihren Kindern getrennt – eine weltweit übliche Praxis in der Milchindustrie. Für die Mütter und ihre Kinder bedeutet dies eine ungeheure schmerzhafte psychische Belastung. Anstatt unter dem Schutz der Mutter und der Herde aufzuwachsen, werden die Kälber unmittelbar nach der Geburt der Mutter weggenommen. Die Mutterkühe müssen diesem Kinderraub hilflos zusehen und schreien noch tagelang verzweifelt nach ihren Kindern. Und die Kälber, die meisten haben gerade erst das Licht der Welt erblickt, rufen völlig verängstigt nach ihren Müttern. Sie verstehen nicht, was mit ihnen geschieht, und sind völlig ahnungslos, welches Grauen sie in den nächsten Wochen, Monaten oder Jahren erwartet. Obwohl ihre Mutter noch lebt, werden sie zu Waisen gemacht, die einsam bis zum Alter von acht Wochen in Einzelhaltung aufwachsen. Die erste Zeit ihrer Kindheit verbringen die meisten einzeln in Plastikhütten, sogenannte „Kälberiglus„. Ihre Ernährung besteht aus Milchaustauschern, ein in heißes Wasser eingerührtes Pulver mit einem Anteil von etwa 20 bis 35 Prozent Magermilchpulver, während ihre von der Natur für sie bestimmte Muttermilch, zur Herstellung von Milchprodukten für menschliche Konsumenten verwendet wird.
Wo bringen sie die Kälber hin?
Bullenkälbchen sind die unliebsamen, lebenden Nebenprodukte, die bei der Kuhmilchgewinnung anfallen. Sie sind der Ausschuss der Milchproduktion. Sie geben keine Milch, bringen also keinen großen Gewinn. Sie erwartet entweder die Kälbermast, in der sie innerhalb weniger Monate als Kinder im Schlachthof sterben, um dann als Kalbsfleisch verwertet zu werden oder die Bullenmast. Hier werden sie bis zu zwei Jahre gemästet, um dann als junge Bullen verkauft und früher oder später geschlachtet zu werden. In sogenannten „Sammelstellen“, berichtet Tanja Busse in ihrem Buch „Die Wegwerfkuh“ (1), werden diese Kälber aus unterschiedlichen Orten zusammengewürfelt, nach Gewicht und Qualität eingeteilt und in Mastbetriebe in ganz Europa oder in Langstreckentransporten außerhalb Europas transportiert. Verzweifelte schreiende Kälbersäuglinge, die noch ihre Mutter bräuchten, aber stattdessen in Transportern mit oft völlig ungeeigneten oder defekten Tränkesystemen stecken und nach Wasser lechzen. Die Transporte sind für die Kälber lebensgefährlich: Da die meisten von ihnen statt mit ihrer Muttermilch, der sogenannten Biestmilch, sofort mit einem Milchaustauscher ernährt wurden, konnten sie dadurch und durch die fehlende Wärme der Mutter keine Abwehrkräfte gegen Krankheitserreger aufbauen. Ihr geschwächtes Immunsystem wird durch den Transportstress und die daraus folgende Erschöpfung zusätzlich belastet. Sie erkranken an Durchfall oder Grippe und bekommen Antibiotika verabreicht, zusammen mit den gesunden Kälbern, um Ansteckungen vorzubeugen. Und um das Schlachtalter zu erreichen.
Die Bullenkälber können auch ganz schnell vom unliebsamen Neben- zum lebenden Abfallprodukt werden: wenn sie nicht den Qualitätsanforderungen (setzen zu wenig Fleisch an) entsprechen und bestimmte Marktkonstellationen herrschen, wie beispielsweise sinkende Milchpreise. Kaum das Licht der Welt erblickt, wird dem Bullenkalb die komplette Daseinsberechtigung abgesprochen. Das Neugeborene, das nicht verwertet werden kann, ist für den Landwirt eine finanzielle Belastung. In das Leben des Bullenkälbchens zu investieren ist unrentabel, sodass immer wieder Bullenkälber aus wirtschaftlichen Gründen vernachlässigt werden. Die Kuhmilch wird als Einnahmequelle benötigt, nicht das männliche Kalb. Laut dem Jahresbericht 2016 des Landeskontrollverbands Schleswig-Holstein starben bezeichnenderweise während oder kurz nach der Geburt bei Kühen bis zu 3,8 % (je nach Rasse) und bei Kuhfärsen, junge Kühe, die zum ersten Mal kalben, bis zu 9,6 % der Bullenkälber. Im Gegensatz dazu starben weitaus weniger weibliche Kälber: bei Kuhkalbungen (je nach Rasse) bis zu 2,3 % und bei Färsenkalbungen bis zu 5,2 %.
Nicht nur, dass die Vernachlässigung laut diverser Berichte zum Tode führt. Es soll sogar schon längst so weit sein, dass aufgrund der sinkenden Preise für Bullenkälber, Landwirte neugeborene männliche Kälber töten lassen. Für die Milchproduktion nutzlos, ist dessen Leben nichts wert, wie das der männlichen Küken in der Eierproduktion, die vergast, erstickt oder bei lebendigem Leibe in den Schredder wandern.
Es wird angezapft
Die weiblichen Kälber hingegen müssen den Fußstapfen ihrer Mütter folgen, damit die Milchproduktion weiter fließen kann. Gefangen in dieser Produktionskette, werden die meisten von ihnen dabei nicht auf einer grünen Wiese stehen, wie zig Milchverpackungen uns ständig weiß machen wollen. Nur ein sehr kleiner Teil der fast 13 Millionen Rinder in Deutschland dürfen, laut der Tierrechtsorganisation Animal Rights Watch e.V. (ARIWA) weiden: Rinder von „Fleischrassen“ und Färsen. Danach verbringen auch Letztere das gewöhnliche „Milchkuhleben“ in einem „modernen“ Laufstall oder in Anbindehaltung ein Leben lang am Hals fixiert, stehend oder liegend in immer der gleichen Richtung. Statt sich auf einem dicken Strohlager zu betten, auch Kühe bevorzugen das Ruhen auf weichem Untergrund, bringen die meisten von ihnen ihr ganzes Leben auf reinen Betonböden oder rutschigen Spaltenböden zu.
Zur Vorbeugung von Verletzungen in Boxenlaufstellen, wo Kühe aufgrund von Platzmangel eng beieinanderstehen, brennt mensch im Alter von wenigen Wochen die Hörner mit einem bis zu 700 Grad heißem Brenneisen aus – ohne Betäubung, aufgrund der Kostenersparnis. Eine äußerst schmerzhafte Prozedur, die alle weiblichen Kälber zu erleiden haben, es sei denn, das Wachstum der Hörner wurde ihnen weggezüchtet.
Um das Erstkalbealter von 24 Monaten zu erreichen, durchleben sie ihre erste Besamung mit etwa 15 Monaten. Hierbei werden sie angebunden oder festgehalten, denn keine Kuh lässt diese Prozedur freiwillig über sich ergehen: Während der linke Arm bis zum Ellenbogen im Anus der Kuh steckt, um mit der Hand den Gebärmutterhals ruhig zu halten, wird ihr die Besamungsspritze in die Vagina, dann durch den Gebärmutterhals eingeführt und in der Gebärmutter entleert. Der verwendete Samen stammt von Zuchtbullen, deren Gene die vom Landwirt gewünschten Eigenschaften für die Milchproduktion vererben. Für den menschlichen Konsum ihrer Milch werden die jungen Mütter schon bei der ersten Geburt die schmerzhaften Erfahrungen ihrer Mütter erleiden: Sie werden niemals die Chance bekommen, ihren Kälbern zu zeigen, was sie für wunderbare Mütter sind. Ihre Kinder werden niemals erfahren, was es heißt, eine Mutter zu haben. Jede einzelne junge Mutter wird ihres Kindes und das Kind der Biestmilch seiner Mutter, die wichtigste Mahlzeit, die die Natur für dieses vorgesehen hat, beraubt.
Schon bald wird das Neugeborene, noch nass vom Fruchtwasser, in eine Schubkarre geworfen und vom Landwirt weggebracht. Tagelang werden Mütter und Kinder einander verzweifelt rufen. Doch anstelle der Kälber wird nun das Melkgeschirr an den Zitzen der Mutterkuh saugen. Mehrmals am Tag wird die Milch der Mutterkuh bis zum letzten Tropfen durch dieses Geschirr und die daran hängenden Rohrleitungen in den Kühltank und dann in den Molkereimilchwagen gepumpt. Anhand eines Chips am Halsband oder am Bein wird die Mutterkuh dabei kontrolliert, wie häufig und wann sie gemolken wird und die gewonnene Milchmenge gespeichert. Um eine hohe Milchleistung zu erbringen, erhalten sie, statt artgerechtem Futter, ihrer Gesundheit schadendes Kraftfutter. Durch die Stallenge, keine große Bewegungsfreiheit und die nassen, mit Exkrementen verschmutzten Beton- sowie Spaltenböden erkranken sie an Bein- und Klauenkrankheiten. Sie bekommen Fortbewegungsprobleme und ihre Anfälligkeit für Stoffwechselkrankheiten erhöht sich. Ihre meist ungeheuren großen Euter bereiten ihnen Probleme und sind extrem empfindlich. Bei „Spitzenkühen“, die fast 20 000 Liter Milch pro Jahr gezwungen werden zu produzieren, vergrößert sich das Euter sogar bis auf das Zehnfache. Aufgrund des ständigen Melkens und dem Liegen auf Betonböden, die meist voll mit ihren eigenen Exkrementen sind, dringen Erreger in ihre Euter und verursachen schmerzhafte Entzündungen, wie Mastitis, die auch zum frühen Tod führen kann. Um diese einzudämmen, erhalten sie Antibiotika, die, offiziell zwar nicht erlaubt, aber auch als Masthilfe eingesetzt werden, um ihre Leistung zu steigern.
Für eine ununterbrochene Milchproduktion muss jede „Milchkuh“ Jahr für Jahr ein Kalb zur Welt bringen und jedes Mal von Neuem die Wegnahme ihrer Kinder erleben. Jedes Jahr wird sie tagelang nach ihrem Kind schreien und das Kind nach seiner Mutter. Jedes Jahr wird sie die Prozedur der künstlichen Besamung durchmachen müssen, sechs bis acht Wochen nach der Geburt ihres Kindes. Dabei kann es sein, dass sie noch nicht wieder richtig fruchtbar ist. Sobald eine Kuh ein Kalb zur Welt gebracht hat, beginnt sie mit der Produktion großer Mengen Milch für ihren Nachwuchs. Gleichzeitig bremst sie ihren Sexualzyklus und somit ihre Empfängnisbereitschaft, eine Schutzfunktion für sich und ihr Kalb. Sie gibt immer mehr und mehr Milch und setzt all ihre Energiereserven dafür ein. Jedoch frisst sie nicht genug, um diese körperlichen Anstrengungen auszugleichen. Landwirte und Tierärzte nennen dies „negative Energiebilanz„(2). Während das Kalb in der ersten Zeit nicht so viel Nahrung benötigt, dass es seiner Mutter schaden könnte, wird in der modernen Milchproduktion die Kuh regelrecht ausgesaugt. Immer weiter gibt sie Milch, aber nimmt gleichzeitig so stark ab, dass sich jede Rippe abzeichnet und die Hüftknochen hervorstehen. Ihr Herzkreislaufsystem läuft derweilen die ganze Zeit auf Hochtouren. Als absolute Leistungsträgerin ist sie quasi eine Hochleistungssportlerin, nur sieht mensch es ihr nicht an. Nur eine einzige Pause erhält ihr Körper: kurz vor der Geburt des nächsten Kalbes, wenn die Milchleistung zurückgeht. Dann haben auch ihr Euter und ihre Zitzen Ruhe vor dem Melkgeschirr.
Kommt es also zur Situation, dass die „Milchkuh“ noch nicht richtig fruchtbar ist und die ersten Besamungsversuche misslingen, wird sie unter dem tierärztlichen Befund einer Fruchtbarkeitsstörung mit Hormonen behandelt. Sie muss tragend werden, sonst verliert sie ihren Wert und endet im Schlachthof, wie alle anderen ausgedienten Milchkühe. Mit ihrem und den Körpern ihrer für die Milchindustrie nutzlosen männlichen Kindern wird in Deutschland überwiegend Rindfleisch produziert.
Mit vier bis fünf Jahren und nach drei bis vier Kälbern stößt die Kuh an ihre körperlichen und psychischen Grenzen. Ungeachtet ihrer biologischen Grenzen wurde ihr so viel abverlangt, sie musste so unendlich viel Milch geben und eine so hohe Leistung erfüllen. Sie ist ausgelaugt. Sie gibt immer weniger Milch. Oder sie wird krank. Burn-out würde es beim Menschen heißen. Nicht so bei einer Milchkuh. Bei ihr, heißt es, ist die „Nutzungsdauer“ erschöpft. Sie ist unproduktiv geworden. Den Preis dafür zahlt sie mit ihrem Leben. Sie wird zum Schlachter geschickt, wo sie ein grauenvolles Ende erwartet. Der Dank für ihre Verdienste als Hochleistungskuh.
Und für was das ganze Leid, für was der ganze Kummer? Damit wir Menschen die Muttermilch einer anderen Spezies konsumieren können. Aber ist uns Milch so viel wert, dass wir so viel Elend verursachen lassen? Für etwas, das wir nicht einmal benötigen?
Die Macht der Gewohnheit
Milch trinken ist nicht natürlich. Der Mensch konnte in der Zeit vor der Domestizierung von Tieren Milch und Milchprodukte gar nicht verdauen. Denn das dazu notwendige Enzym Laktase wird eigentlich nur im Säuglings- und Kleinkindalter gebildet, um die Muttermilch ihrer eigenen Mutter mit samt des natürlichen Milchzuckers aufnehmen und vertragen zu können. Sobald die Stillzeit beendet ist und das Kind auf feste Nahrung umgestellt wird, nimmt die Laktaseproduktion, genauso wie die Fähigkeit Laktose zu vertragen ab. Die Milchunverträglichkeit, die sogenannte Laktoseintoleranz, ist somit eine natürliche Körperreaktion. Erst durch die wirtschaftliche Ausbeutung von Tieren wurde das Milchtrinken langsam etabliert. Genauso langsam begann auch die Laktasebildung bei erwachsenen Menschen, die auf Genmutationen zurückzuführen ist. So gesehen ist, laut Maria Rollinger (3), Milch das jüngste Lebensmittel auf dem Speiseplan des Menschen – nach dem Gen-Food. Der Grund, warum die Mehrheit der erwachsenen Menschen immer noch nicht in der Lage sind, Milchzucker zu verdauen, dass sich in der Laktoseintoleranz widerspiegelt.
Milch ist auch nicht gesund. Auch wenn uns das die Milchindustrie mit dem Anpreisen ihrer Produkte immer wieder vermitteln will und wir von klein auf eingehämmert bekommen, sie sei es. Heute wird zwischen dem Konsum von Milch und hormonartigen Krebsarten wie Prostatakrebs und gynäkologische Krebserkrankungen (beispielsweise Eierstockkrebs) eine Verbindung hergestellt. Durch den Milchkonsum erhöht sich des Weiteren das Risiko für Alzheimer, Parkinson, Multiple Sklerose, Diabetes (I und II) und Hautkrankheiten (4).
Warum klammern wir uns trotzdem als erwachsene, der menschlichen Muttermilch bereits entwöhnten Menschen regelrecht an das Euter einer Kuh, um deren Muttermilch zu trinken? Eine fremde Muttermilch, die wir auch noch dem natürlichen Nachwuchs, Säuglingen stehlen? Weil es unsere Gewohnheit ist. Doch eine Gewohnheit rechtfertigt nicht eine gewalttätige Behandlung und den Missbrauch anderer fühlender Lebewesen. Bequemlichkeit im Übrigen auch nicht.
Es gibt so viele Alternativen zu der Milch einer anderen Spezies: Pflanzenmilch wie Hafer-, Mandel-, Reis- oder Sojamilch. Und es kommen immer mehr vegane Alternativprodukte zu Koch- und Schlagsahne, Joghurt, Quark, Käse, ja sogar Schokolade auf dem Markt. Sie alle stehen zur Entdeckung und unserer Verköstigung bereit.
Wir müssen nur endlich der Macht der Gewohnheit die Stirn bieten und „nein“ sagen. „Nein“ zur Milch. Ja, auch zur Biomilch, denn auch Biokühe führen kein „artgerechtes Leben“, auch Biokälber werden von ihren Mutterkühen getrennt und in fast der Hälfte der Bioherden werden die Rinder auch enthornt. Und auch Bio-Kühe landen nach etwa fünf Jahren „verbraucht“ im Schlachthof.
Wie gesagt, wir müssen der Macht der Gewohnheit die Stirn bieten. Wir müssen „Nein“ zur grausamen und brutalen Ausbeutung von fühlenden Wesen sagen. „Nein“ zum Kälberraub, der Trennung von Mutter und Kind. Und „Nein“ zur Tötung von Lebewesen. Wir als Konsumenten haben die Stärke diese abscheuliche Praktiken nicht weiter zu unterstützen und die Tiere mit unserer Umorientierung aus diesem elenden Kreislauf zu befreien.
Sagen wir darum „Nein“ zum Fleisch UND „Nein“ zur Milch.
Weitere Quellen:
(1) (2) Tanja Busse, Die Wegwerfkuh. Wie unsere Landwirtschaft Tiere verheizt, Bauern ruiniert, Ressourcen verschwenddet und was wir dagegen tun können, Blessing Verlag, 2015
(3) Maria Rollinger, Milch besser nicht, JOU-Verlag, 2013
(4) T. Colin Campbell, China Study – Die wissenschaftliche Begründung für eine vegane Ernährungsweise, Verlag Systemische Medizin, 2011 (Neuauflage von Die China Study – und ihre verblüffenden Konsequenzen für die Lebensführung)
Fotos:
(1) (2) (3) Pixabay